Das Kreuz in der Verfassung
Das Kreuz in der Verfassung

Christliche Kreise fürchten um ihre religiösen Symbole zu Tal und Berg. Zu Recht, denn radikale Freidenker pfeiffen zum Angriff auf jedwelche religiöse Symbolik im öffentlichen Raum. Dem tritt nun die CVP entgegen.

Von Abdel Azziz Qaasim Illi

Die Diskussion um Kruzifixe in öffentlichen Schulen brachte bei der CVP das Mass zum Überlaufen. Man befürchtet eine zunehmende Entchristlichung der öffentlichen Sphäre, erwirkt durch areligiöse Kreise, allen voran die Freidenker. Wenn es nach Reta Caspar, der Geschäftsführerin der Freidenker, ginge, sollten gar Gipfelkreuze verboten werden.

Diskussionen um «religiöse Symbole» aller Art haben in der Schweiz seit dem Minarett-Verbot wieder Konjunktur. Rechte Kreise streben bestärkt durch den klaren Abstimmungsausgang weitere Einschränkungen für Muslime an, namentlich Hijab- und Niqab-Verbote, während es die  Freidenker eher auf Kruzifixe in Schulen, an Wegrändern und auf Berggipfeln abgesehen haben. In der Christlichen Volkspartei fürchtet man nun offensichtlich Opfer einer eigentlichen Hysterie um Religion im öffentlichen Raum zu werden.

Der Diskurs bewegt sich in Richtung Religionsneutralität, immer weniger Schweizerinnen und Schweizer definieren sich über das Christentum und wenn schon, dann eher im Sinne eines kulturell-traditionalen Zusammenhangs. Gleichzeitig steht der Islam, nebengeordnet aber auch der Katholizismus, unter Daueranklage. Ein heikles Gemisch von Islamophobie, typisch schweizerischer Distanz zum Religiösen und Freidenkertum könnte nun die Gesellschaft tatsächlich in Erklärungsnot versetzen. Schliesslich lassen sich basierend auf der geltenden Bundesverfassung eindimensionale Verbote gegen den islamischen Kultus und gegen Minarette auf die Dauer kaum rechtfertigen. Ulrich Schlüer (SVP), Hauptinitiant gegen die Minarette, sah diesen möglichen Bumerang Effekt gegen christliche Symbole zwar kommen, betonte jedoch unablässig den «christlich-abendländischen» Charakter der Schweiz, den es über alle anderen Religionen zu privilegieren gelte.

Dieses Schlüer’sche Narrativ stellen die Freidenker jedoch zunehmend in Frage. Sie versteifen sich im Prinzip der Religionsneutralität, was für sie so viel heisst wie: Religion gehört im öffentlichen Raum neutralisiert. Also, wenn schon kein Islam, dann konsequenterweise auch kein oder auf jeden Fall weniger Christentum.

CVP verlangt Sonderstellung für christliche Symbole

Geht es nach Ida Glanzmann (Nationalrätin CVP), sollen christliche Symbole in der Schweiz eine Sonderstellung erhalten. Der Nationalrat hat vergangenen Montag ihre parlamentarische Initiative mit 87 zu 75 Stimmen bei 8 Enthaltungen einigermassen knapp gutgeheissen. Der Vorstoss sieht eine Sonderstellung für christliche Symbole in der Bundesverfassung vor.

Gut möglich, dass der Ständerat diesem Ansinnen keine Folge leistet. Schliesslich geht es bei Glanzmanns Initiative um nicht weniger als die Frage, ob der Staat seine Neutralität den Religionen gegenüber weiter aufweichen soll und ob sich die Schweiz Kraft ihrer Verfassung künftig als «christlich» definieren will, während sie Minarette und sollten Schlüer und Co. ihre Drohungen in die Tat umsetzen, möglichweise auch bald den islamischen Gesichtsschleier verbietet.

Man stelle sich eine solche Bundesverfassung einmal vor: Zunächst ein paar allgemeine Freiheits-Floskeln zur Einleitung, gefolgt von Einschränkungen muslimischer Rechte und dann noch der Primat christlicher Symbolik im öffentlichen Raum! Immerhin erhält dann das Kreuz auf unserer Landesfahne und über der Kuppel des Bundeshauses endlich wieder adäquate Aussagekraft– es lebe die christliche Republik Helvetia!

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