Kochen tun Muslime auch im Ramadan
Kochen tun Muslime auch im Ramadan

Der Kanton Thurgau erlässt rigide Regeln im Umgang mit muslimischen Schülern, die im Ramadan fasten möchten. Treibende Kraft hinter den Ende 2015 erlassenen Sonderregeln ist die Thurgauer Bildungsdirektorin Monika Knill (SVP). Bei der Ausarbeitung des Merkblatts „Schule und Ramadan“ erhielt sie Unterstützug von der Pädagogischen Hochschule Thurgau.

(qi) Das Papier anerkennt einleitend, dass Muslime ab der Pubertät im Ramadan einer prinzipiellen Fastenpflicht unterliegen, schränkt die praktische Umsetzung in der Schule jedoch sogleich durch eine Anzahl an Regeln und Empfehlungen ein. So heisst es unter „Regeln“:

-„Die Dispensation vom Unterricht in einzelnen Fächern ist während dem Monat Ramadan nicht möglich, auch nicht von den Fächern Hauswirtschaft (Kochen), Turnen und Schwimmen.“

-„Im Sportunterricht wird durch Fastende ein eventueller Notenabzug bei Nichtteilnahme an einer Sportprüfung in Kauf genommen.“

-„Im hauswirtschaftlichen Unterricht nehmen Schülerinnen und Schüler wie gewohnt am Theorieunterricht teil und beteiligen sich aktiv am Kochen, sie können das Essen mit nach Hause nehmen. Während der Mahlzeiten wird ihnen die Möglichkeit angeboten, sich anderweitig zu beschäftigen.“

Unter „Empfehlungen“ heisst es, dass zwar auf die Einforderungen von sportlichen „Extremleistungen“ verzichtet werden könne. Dies wird jedoch dem Ermessensspielraum der Lehrperson anvertraut, wobei bei einer Nichtteilnahme an Sportprüfungen Notenabzüge angedroht werden. Dagegen ist eine Dispensation vom Sport oder vom Kochunterricht gemäss vorliegendem Merkblatt dem Ermessen durch den Fachlehrer gänzlich entzogen.

SVP-Feldzug gegen den Islam

Die Erziehungsdirektorin Monika Knill (SVP) macht nicht zum ersten Mal mit kontroversen Forderungen von sich reden. Sie vertritt seit 2011 die Meinung, dass ein Hijab potentiell geeignet sei, Unruhe in der Schule zu verursachen, wie einem damaligen DEK-Entscheid zum Bürgelner Kopftuchstreit entnommen werden kann. 2013 hat das Bundesgericht dem Ansinnen der Erziehungsdirektion ein Ende gesetzt und das Kopftuchverbot kassiert.

Bereits 2010 folgte der Grosse Rat mit 46:36 Stimmen einem Vorstoss des umstrittenen SVP-Kantonsrates Hermann Lei, der darauf abzielte «Burkas im Schwimmunterricht» und «Kopftücher im Unterricht» zu verbieten. Damals allerdings war Monika Knill noch der Meinung, dass das Tragen eines Hijabs durch die gültige Bundesgerichtspraxis geschützt sei. Seither hat die Erziehungsdirektorin ihre Meinung grundlegend geändert und setzt auf Intoleranz im Umgang mit muslimischen Schülern.

In England werden die Prüfungen verschoben

Für eine ganz andere Vorgehensweise hat man sich im Vereinigten Königreich entschieden. Wie die BBC berichtet, hat der für die Prüfungsabnahme zuständige Joint Council for Qualifications soweit möglich die Prüfungen ausserhalb der Fastenzeit festgelegt, um damit die Chancengleichheit zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Schülern zu garantieren. Auch die meisten Schweizer Kantone bestätigen auf Anfrage der „Sonntagszeitung“, dass man Fastende unkompliziert vom Sportunterricht dispensiere.

Regeln kaum umsetzbar

Die betroffenen Schweizer Schüler, die im kommenden Ramadan vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben fasten, werden es an sich schon nicht leicht haben, die Fastenzeit von ca. 3.30 Uhr bis 21:20 Uhr einzuhalten und dies zumal im Juni. Ein Zwang zur Teilnahme am Sportunterricht wie es die Knillsche Doktrin von den Jugendlichen abverlangt, entbehrt jeder Verhältnismässigkeit. Der Islamische Zentralrat empfiehlt, dass Fachlehrer es den Schülern freistellen sollen, ob sie an Sportübungen aktiv teilnehmen wollen oder nicht. Selbst sportliche Erwachsene verzichten im Ramadan oft auf das Training, um einer übermässigen Dehydrierung vorzubeugen.

Dagegen sieht der Islamische Zentralrat beim Kochunterricht kein zwingender Grund für eine Dispensation. Wer aus Überzeugung fastet, tut sich nicht schwer mit der Tatsache, dass andere während der Fastenzeit konsumieren.

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