Darf man den Qur'an demokratisch verbieten lassen?
Darf man den Qur’an demokratisch verbieten lassen?

Die Anti-Qur’an-Initiative ist nach dem knappen Entscheid des Bundesgerichts endgültig vom Tisch. Nicht aber die dahinterliegende Islamophobie. Die Diskussion geht wohl bald weiter.

(qi) Am vergangenen Mittwoch, 28.8.2013 hat das Bundesgericht die Initiative «Gegen frauenfeindliche, rassistische und mörderische Lehrbücher», kurz die Anti-Qur’an-Initiative des notorischen islamophben Schweizer Demokraten Willy Schmidhauser wie schon vergangener Dezember 2012 der Thurgauer Grosse Rat definitiv für ungültig erklärt.

Schmidhauser hatte beim Bundesgericht gegen den Entscheid des Grossen Rates Beschwerde eingelegt und ist nun definitiv abgeblitzt. Laut Bundesgericht zielt das Volksbegehren einseitig auf den Islam ab und verletze damit das Diskriminierungsverbot. Mit der entsprechenden Änderung des Volksschulgesetzes sollte gemäss der Begründung des Initiativkomitees verhindert werden, dass der Qur’an oder andere islamische Sakralschriften an Thurgauer Schulen gelehrt werden. Unter anderem enthielt der Unterschriftenbogen die Aussage, dass der Qur’an mit der Verfassung grundsätzlich unvereinbar sei.

Die Richter der I. Öffentlich-rechtlichen Abteilung kamen in ihrer Beratung zum Schluss, dass der Initiativtext als solcher zwar durchaus neutral verstanden werden könne. Das Verbot gewalttätiger oder rassistischer Lehrbücher sei in diesem Sinne unverfänglich, absolut selbstverständlich und geradezu banal.

Allerdings könne bei der fraglichen Initiative die Begründung des Komitees nicht einfach missachtet werden. Offensichtlich richte sich das Begehren jedoch einseitig gegen den Islam und verstosse damit gegen das in der Bundesverfassung verankerte Diskriminierungsverbot. Zu beachten sei dabei, dass der Staat in religiösen Angelegenheiten zu Neutralität verpflichtet sei.
Das Bundesgericht hielt in diesem Zusammenhang fest, dass es auch im Islam verschiedene Auslegemöglichkeiten des Qur’ans gebe. Der Staat könne sich nicht auf eine unter vielen möglichen Varianten festlegen. Eine generelle Annahme eines intoleranten Glaubensverständnisses werde der Realität ohnehin nicht gerecht.

Knappes Votum der Richter

Ganz so deutlich wie erwartet wurde, fiel dann das Urteil doch nicht aus. Zwei der fünf Richter hätten die Beschwerde im Gegensatz zu ihren Kollegen gutheissen und die Initiative für gültig erklären wollen. Die Abstimmung und ihre Folgen sollten dabei aber streng auf den Wortlaut beschränkt bleiben.

Eine einzige Wackelposition hätte ein völlig gegenteiliges Urteil erwirken können. Nicolas Blancho, der Präsident des Islamischen Zentralrates Schweiz (IZRS) nannte den knappen Entscheid auf Anfrage «besorgniserregend». Er widerspiegle das weit verbreitete Unbehagen gegenüber dem Islam in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. «Offensichtlich machen radikale Säkularisten und Islamophobe nicht Halt bei den Minaretten. Es gibt einen breiten und zunehmenden Willen, den Islam aus dem öffentlichen Leben in der Schweiz weitestgehend auszuschliessen. Dies manifestiert sich etwa in Diskussionen um Kopftücher in der Schule oder den Gesichtsschleier im Tessin.»

Die Anti-Qur’an-Initiative Schmidhausers gibt ihm Recht. 4466 Personen unterzeichneten das Volksbegehren – wohl kaum alles rechtsextreme Schweizer Demokraten. Schmidhauser will sich nun der bundesrichterlichen Kritik beugen und plant bereits die Neulancierung der Initiative mit angepasstem Wortlaut.

(Öffentliche Beratung vom 28. August 2013 im Verfahren 1C_127/2013; schriftliche Begründung ausstehend)

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