Runschaureporter auf Ausschau nach dem «Radikalen»
Runschaureporter auf Ausschau nach dem «Radikalen»

Sie jammern, dass Muslime sich zunehmend weigern, vor Ihrer Kamera Stellung zu nehmen? Mit Ihrem Beitrag von gestern «Radikale Islamisten in der Schweiz» haben Sie einmal mehr gezeigt, dass es sich nicht lohnt. Ein Kommentar von Abdel Azziz Qaasim Illi

Von Abdel Azziz Qaasim Illi

Krampfhaft versuchten Sie im Vorfeld der Sendung Musliminnen für ein Porträt zu gewinnen. Dabei haben Sie stets in Aussicht gestellt, den Islam «realitätsnah» darzustellen. Es gehe Ihnen nicht darum, Muslime in ein schlechtes Licht zu rücken. Nun, Ihre subjektive «Realität» des Islams scheint sich demnach in den Schlagworten «radikal», «Jihad» und «Hassprediger» zu erschöpfen. Was aber genau «radikal» sein soll, liessen Sie offen. Das Publikum war verwirrt.

Ist ein Prediger alleine darum schon radikal, weil er getreu seinem Glauben einen Wahrheitsanspruch vertritt und nicht im Sinne der (sich auflösenden) modernen protestantischen Amtskirche religiösem Relativismus was Wort redet? In diesem Fall können Sie gleich alle Freikirchen und die römische Kurie sowie alle orthodoxen Juden, Hindus und Buddhisten über denselben Kamm schlagen. Rund die Hälfte der Bevölkerung wäre diesem Dafürhalten nach also «radikal».

Oder ist es das Getrenntsitzen von Männern und Frauen, woran Sie sich echauffieren? Zugegeben, abgesehen von einigen Klöstern und konservativen katholischen Gemeinden sowie bei den orthodoxen Juden hat sich im Zuge der Entkoppelung von Moral und religiöser Norm in der Moderne die Gegenthese zur Geschlechtertrennung weitestgehend durchgesetzt. Nun sind aber gerade Sie so bemüht darum, gegen Wahrheitsansprüche anzukämpfen, entlarven sich jedoch in der «Genderfrage» als besonders dogmatisch.

Unablässig nörgeln Sie an unseren Frauen herum, wollen sie zwanghaft im Saal mit Männern mischen oder sie vom Schleier befreien. Reden Sie für einmal mit diesen Frauen und nicht über sie, dann stellen Sie genervt fest, dass Sie es mit denkenden und autonom handelnden Subjekten zu tun haben, die weder hinter dem Mond leben noch in ihre Scham gehüllt, insgeheim auf einen abendländischen Ritter warten, der sie aus den Fängen ihres Patriarchen befreit.

Wenn Sie diese autonome islamische Realität als «bedrohlich» oder «radikal» empfinden, so sehr, dass sich die Historikerin Susanne Wille nicht mehr sicher sein kann, ob «wir hier tatsächlich noch in der Schweiz sind», dann müssen sich die Muslime allmählich überlegen, ob sie in Analogie zu Fluggesellschaften Islamangst-Therapien anbieten sollen.

Sicher ist indes, dass Sie mit solchen normativ gefärbten Beiträgen Ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag nur mangelhaft erfüllen. Anstatt zu informieren, wird missioniert, anstatt Zusammenhänge in ihrer korrekten Ordnung aufzuzeigen, wird plakativ dekontextualisiert. Die Botschaft des Beitrags bleibt derweil unklar, die eigeladene «Politologin» Elham Manea konnte sich kaum ausdrücken und half dem Publikum auch nicht weiter, eine Ordnung in das Wirrwarr zu bringen.

Also keine neue Erkenntnis. Es bleibt dabei: Der Islam erscheint «unnahbar», wohl weil «radikal». Es gibt zwar «Moderate», nur sind sie selten und irgendwie halt doch unattraktiv für eine solche Sendung, da zu angepasst. Gut gibt es den medienfreundlichen Islamischen Zentralrat als Projektionsfläche aller Radikalität. Dies öffnet das Hintertürchen, die Mehrheit der «unnahbaren» Muslime dann letztlich doch noch freizusprechen und damit die Islamdebatte als künstlich und aufgeblasen zu entlarven, bevor die Rechte daraus weitere politische Forderungen ableiten kann. Zurück bleibt die blanke Verwirrung und eben: Muslime, die sich für solche Sendungen nicht mehr instrumentalisieren lassen wollen.

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