(ni) Die Schaffung von Grabfeldern für Muslime ist ein nationales Thema. Jedoch sind die Bestattungen auf Gemeindeebene geregelt und müssen dort diskutiert werden. „Schweiz aktuell“ berichtete nun, dass Pläne für muslimische Friedhöfe in Winterthur, Schlieren und Dietikon wegen der anhaltend islamfeindlichen Stimmung auf Eis liegen.

Vor 1 1/2 Jahren wurde das Thema in Schlieren und Dietikon ausführlich auf verschiedenen Ebenen diskutiert, evaluiert und teilweise auch konkrete Pläne zur Umsetzung ausgearbeitet. Nun stehen die Projekte still oder werden in die weite Ferne geschoben. Für Dietikon scheinen die Grabfelder seit der Minarett-Initiative kein Thema mehr zu sein. Der Dietiker Stadtpräsident Otto Müller wollte gegenüber „Schweiz Aktuell“ keine Stellung nehmen.

Matthias Gfeller, GP und Stadtrat von Winterthur, möchte momentan keinen Kommentar verfassen, da diesbezüglich in den nächsten Wochen eine Vorlage vom Stadt- und Gemeinderat ausgearbeitet werden müsse. Er könne frühestens im September 2010 über die Akzeptanz des Projektes detailliertere Auskünfte geben.

Toni Brühlmann, Stadtpräsident von Schlieren, räumt ein, dass man sich an dem Thema nicht die Finger verbrennen möchte. Sorgten doch eben die Minarette für Diskussionen und nun der islamische Gesichtsschleier. Daher sei nun, so Brühlmann, nicht der Moment, über muslimische Grabfelder zu diskutieren und sie sollten auf unbestimmte Zeit zurückgestellt werden.

Diese Haltung steht freilich in einem absoluten Widerspruch zum Schweizer Grundrecht. Walter Kälin vom Institut für öffentliches Recht an der Universität Bern fertigte 2000 ein 20-seitiges Gutachten an. In diesem ist festgehalten, dass eine ehrbare Bestattung ein Grundrecht sei. Diese Forderung lässt sich auf verschiedene Arten verwirklichen, d.h. der Staat hat die Möglichkeit für Bestattungen von Angehörigen muslimischer Glaubensgemeinschaften entweder auf öffentl. Friedhöfen Sonderabteile zu schaffen oder solche Gemeinschaften bei der Schaffung von privaten Sonderfriedhöfen zu unterstützen.
Die Stadt Zürich handelte nach diesem Gutachten und errichtete 2004 auf dem Friedhof in Witikon muslimische Grabfelder. Jedoch kann dort nur beerdigt werden, wer in der Stadt Zürich wohnhaft war. Daher sind auch in anderen Städten Bestattungsmöglichkeiten für Muslime dringend notwendig.

Auch Hassan Tamer Hatipoglu (VIOZ) sieht die Problematik. Muslime mit einem anderen Herkunftsland, können sich in diesem bestatten lassen. Jedoch sind sie auf diese Weise weit von ihren in der Schweiz lebenden Familienangehörigen entfernt. Hatipoglu kann nicht verstehen, dass die Politiker aus reinem Opportunismus zurückgekrebst sind.

Guisep Nay, früherer Präsident des Bundesgerichtes und heutiger Präsident des Verein „Minderheiten Schweiz“ findet die Haltung von Dietikon und Schlieren falsch. Es sei schade, dass die Gemeinden sagen, sie seien grundsätzlich dafür, aber der Zeitpunkt sei schlecht. Gerade jetzt gehe es doch darum zu informieren und gegenseitige Vorurteile abzubauen. Schliesslich soll man ein Klima für eine freiheitliche Gesellschaft aufbauen.

Unbestrittenermassen würden Muslimen solche Grabfelder zustehen, jedoch ist auch dieses Thema wieder zu einem Spielball der Realpolitik geworden. Ausserdem wird immer damit argumentiert, dass Muslime auch in ihren Herkunftsländer bestatt werden könnnen. Brühlmann weist sogar daraufhin, dass Muslime, welche in die Schweiz einwandern, sich dieser Problematik bewusst sein müssten.   Die Aussagen lösten in muslimischen Kreisen Befremden aus. Ausserdem berücksichtigte Brühlmann nicht, dass es nicht nur schweizerische Muslime gibt, sonder auch muslimische Schweizer ohne Migrationshintergrund.

Quelle: Schweiz Aktuell, SF1, 09.06.2010

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