Bild: SRF 10vor10 4.12.2017/Screenshot

Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) hat das Massnahmenpaket des Bundes gegen Extremismus zur Kenntnis genommen. Der Rat begrüsst den Willen der Behörden, im Kampf gegen Extremismus und Radikalisierung aktiv zu werden, kritisiert indes die Einseitigkeit und das Fehlen eines Konzepts gegen Islamophobie, Rassismus und Diskriminierung.

Kommuniqué 06122017 – 0154

Inhaltlich sieht der IZRS den NAP allerdings auch kritisch. Insbesondere folgende Punkte bewertet er als heikel und empfiehlt den Behörden eine Adaption:

-Der Plan richtet sich dem Wortlaut nach zwar gegen Extremismus jeder Art. Die Massnahmen, sowie der Zeitpunkt und die Rhetorik lassen aber unmissverständlich erkennen, dass sich der NAP im Wesentlichen gegen Extremismus und Radikalisierung mit islamischem Bezug richtet.

-Dem NAP misslingt eine klare Definition von Extremismus. Zwar werden die Termini anfangs formell definiert, im Laufe der Einleitung, im Rahmen von Wortmeldungen in den Medien und der aufgeführten Massnahmen kommt es dann aber zu Unschärfen bis Überschneidungen, wobei nicht mehr klar ist, ob typische Erscheinungsformen des islamisch-orthodoxen Lebenswandels an sich schon als Anzeichen einer Radikalisierung bzw. ob der orthodox praktizierte Islam insgesamt als eine Form des Extremismus betrachtet wird. Diese Unklarheiten könnten in der praktischen Umsetzung zu unvorhergesehenen Problemen führen und in Einzelfällen die Radikalisierung gar noch begünstigen.

-Zwar kommt im Abschnitt zu Massnahme 18: „Verstärkung der Massnahmen zur Förderung der aktiven Bürgerschaft, Stärkung der Demokratie und Verhinderung von Diskriminierungen“ Diskriminierung am Rande zur Sprache. Allerdings erkennt man im Folgenden kein Konzept, wie mit den tatsächlichen Push-Faktoren der Radikalisierung, namentlich der Islamophobie, dem Rassismus und der Diskriminierung umgegangen werden soll. Die ersten zwei Begriffe fehlen in den 26 Massnahmen vollends.

Zusammengefasst handelt es sich beim NAP in der heutigen Fassung um einen Aktionsplan, der sich im wesentlichen gegen Extremismus mit Bezug zum Islam zu richten scheint, wobei unklar bleiben muss, was im Einzelfall unter orthodoxe Religionspraxis und was bereits als Extremismus gemäss NAP zu gelten hat. Selbst wenn der NAP sich im günstigeren Fall nur und vor allem gegen Gewaltextremismus richtet, so betreibt er nicht mehr als eine Symptombehandlung. Die treibenden Ursachen, sprich Push-Faktoren, welche im Falle von Muslimen einer Radikalisierung Vorschub leisten, bleiben unbehandelt. Dabei wäre es gerade im Rahmen eines solchen grossangelegten Plans durchaus auch möglich gewesen, sich so monumentalen Problemen wie der Islamophobie, dem Rassismus oder der strukturellen wie alltäglichen Diskriminierung von Muslimen endlich umfassend anzunehmen.

Ob der NAP in dieser Form eine positive Wirkung entfalten kann, bleibt abzuwarten. Aus Sicht des IZRS wäre der beste Schutz vor Radikalisierung ein effektiver Kampf gegen Diskriminierung, die Förderung von Toleranz gegenüber Minderheiten und ein umfassender Dialog auf Augenhöhe. Anhaltende Verbotsforderungen von Rechts und Reformanmahnungen von Links fördern die gesellschaftliche Integration der Muslime jedenfalls nicht.

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