Bern, 17.09.2010

(ni) Viele Politiker versuchen im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen von 2011 die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Welches Traktandum ist in der momentanen islamophoben Stimmung geeigneter, als ein Gesichtsschleier-Verbot zu fordern? Die Initianten scheinen jedoch oft sehr schlecht informiert zu sein. So forderte der radikal-christliche SVP-Kantonsrat Hermann Lei ein «Burka-Verbot» im Schwimmunterricht. Wir berichteten gestern (Thurgauer SVP-Kantonsrat provoziert Werte-Debatte um den Hijab in Schulen ).
Nebenbei erwähnte Lei, dass die Junge SVP Thurgau im nächsten Jahr eine kantonale Volksinitiative lancieren möchte. Das Volk soll über ein Anti-Niqab Gesetz entscheiden.

Die Wahlchancen erhöhen

Aufällig ist, dass die Junge SVP an den eidgenössischen Wahlen mit einer Liste zu den Nationalratswahlen antritt. Benjamin Kasper, Präsident der Jungen SVP Thurgau, bestätigt, dass seine Partei eine Volksinitiative lancieren will, um das Vermummungsverbot zu verschärfen. Im Kanton Thurgau gilt dieses Verbot bereits für öffentliche Versammlungen als Sicherheitsmassnahme. Nun soll es zur Kleidervorschrift für Muslimas umformuliert werden. Kaspar dementiert nicht, dass diese Initiative dazu dienen soll, die Wahlchancen zu erhöhen.

Auf Bundesebene hat ein Vollschleier-Verbot kaum Chancen

Die SVP strebt ein Verhüllungs-Verbot auf kantonaler Ebene an. Dies aus dem einfachen Grund, da auf Bundesebene eine solche Gesetzesänderung kaum Chancen habe, wie Kaspar bestätigt. Auch im Grossen Rat hätten die Vorstösse der SVP kaum Chancen.

Bisher habe es im Thurgau keine vollverschleierten Muslimas gegeben. Den Vorwurf, ein Scheinproblem hochzustilisieren, lässt der Präsident der Jungen SVP dennoch nicht gelten. Schliesslich habe er selbst vor Kurzem eine Frau in einer «Burka» im Migros gesehen, versichert Kaspar. Diese scheinbare Sichtung ist höchst zweifelhaft, da die «Burka» (der traditionelle afghanische Schleier) in der Schweiz wohl nie getragen wird. Aber ein solches Verbot soll auch prophylaktische Wirkung haben. Schliesslich müsse man den Einzug des Ganzkörperschleiers für Frauen im Kanton verhindern, argumentiert die Junge SVP.

Unterstützung hat die Junge SVP bis jetzt noch keine. Offen ist auch, ob die Mutterpartei das Anliegen mitträgt. Immerhin müssten mindestens 4000 gültige Unterschriften gesammelt werden. Walter Marty, SVP-Kantonalpräsident, hat Verständnis für die Jungpartei. Dies beruht auf der falschen Annahme, dass ein Niqab für die Frau diskriminierend sei.

Quelle: Burka-Verbot soll vor das Volk, Thurgauer Zeitung, 17.09.2010.

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