Bern, 23.2.2010

Von Abdel Azziz Qaasim Illi

Der jüngste „Zwischenfall“ in Langenthal sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Fasnachtskult und sarkastische Kritik in Ehren. Sollten jedoch tatsächlich „gröbere Sprüche“ wie „Dreckstürken“  vom Minarettwagen der „Freaks“ herunter geschallt sein, wäre die Langenthaler Fasnacht als Bühne krasser Fremdenfeindlichkeit missbraucht worden.

Wer die Kommentare unter den Nachrichtenmeldungen überfliegt, reibt sich kräftig die Augen: «……………wer hat Angst vor’n schwarzen Mann – kuschen und schweigen macht die militanten Muslims weder stiller noch friedlicher. Man ist Demokrat mit allen Vorteilen und Nachteilen oder eben nicht. Eine Zeile aus einem Country Song ist die beste Antwort: „if you dont love it, Leave it!“ »
Die Zeilen dieses Lesers widerspiegeln den pseudo-demokratischen Diskurs xenophober Protagonisten. Sie stellen das Prinzip der absoluten Freiheit immer dann über jenes der Gleichheit oder der Menschenrechte, wenn es ihnen um die Einschränkung negativer Rechte der „Anderen“ geht. Minderheitenschutzartikel, wie die Rassismusstrafnorm, sind ihnen ein Dorn im Auge. Am liebsten sähen sie das Gesetz neutralisiert, wenn schon nicht in der Theorie des Buchstabens, dann doch zumindest in der Praxis der Gerichte. Zwischen berechtigter Kritik und offenere Diffamierung sehen sie keinen Unterschied. Wehrt sich das Opfer im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten mit einer Strafanzeige, werfen sie ausgerechnet mit Begriffen wie Intoleranz um sich und unterstellen ihm, eine Art „Wächterrat“ zu etablieren, um jegliche „Kritik“ mittels Gesetzeskeule mundtot zu machen. Wehrt sich das Opfer auf ungesetzliche Art und Weise, sehen sie ihre stereotype Behauptung bestätigt, wonach die „Anderen“ das Gesetz nicht respektierten und chronisch zu Gewalttätigkeiten neigten. So oder so sind die „Anderen“ selber schuld, wenn der Hass gegen sie weiter zunimmt. Sobald nämlich jene ihre Stimme gegen die eigentliche Quelle der Intoleranz erheben, werden sie selbst zu Trägern der Intoleranz.

Der moderne Antisemitismus bedient sich ebenfalls dieser Paradoxie. Es ist nicht nötig historische Exkurse ins Dritte Reich zu unternehmen, um die innere Verwandtschaft der islamophoben und antisemitischen Argumente darzustellen. Im Schutze der Anonymität – da heute gesellschaftlich tabu –  hinterlassen moderne Judenhasser ihre Tiraden in unzähligen Blogs und Internetforen. Immer wieder weisen sie die Schuld an ihrem Hass den Juden selbst zu. Sie seien zu reich, zu intelligent, zu mächtig etc. Neid alleine erklärt das Ausmass solcher Ablehnung nicht. Es ist das gleiche Phänomen, das gestern Italiener, Türken, Schwarzafrikaner und heute Muslime im Speziellen zur Projektionsscheibe aller Negativa macht. Der Begriff der Fremdenfeindlichkeit versagt sowohl beim Antisemitismus wie auch bei der Islamophobie, da das Phänomen z.B. auch vor Konvertiten, also gebürtigen Schweizern, keinen Halt macht. Nennen wir es lieber: Ablehnung des „Anderen“.

Die Langenthaler Fasnacht hat nun offenbar gezeigt, dass Fremdenhass im Allgemeinen und Islamophobie im Speziellen nicht nur in privater Gesellschaft, sondern auch in aller Öffentlichkeit einen besorgniserregenden Grad an Salonfähigkeit erreicht hat. Da erscheint das heute Morgen publizierte Kommuniqué der Eidgenössischen Rassismus Kommission (EKR), wonach der Schutz gegen Rassismus in der Schweiz ungenügend sei, wie eine verspätete Hypothese, die längst durch empirische Befunde allgemeine Anerkennung gefunden hat.

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