Muslimische Gräber in Witikon
Muslimische Gräber in Witikon

Tagesanzeiger – Verstossen separate muslimische Grabfelder auf Friedhöfen gegen die Rechtsgleichheit? In Schlieren findet derzeit eine Diskussion statt, in der man besser mit Herz und Verstand als mit Ideologie argumentieren sollte.

Schlichte weisse und braune Holztafeln prägen das Bild des muslimischen Grabfeldes auf dem Friedhof in Zürich-Witikon. Um manche sind Gebetsketten geschlungen. Vereinzelte Grabsteine stehen dazwischen, am Rand plätschert ein kleiner Brunnen. Die beiden eingegrenzten Grabfelder fallen im Gesamtbild des idyllischen Friedhofs in keiner Weise auf. Beim Zürcher Bestattungsamt heisst es: «Es hat sich noch nie jemand an den muslimischen Grabfeldern gestört.»

An muslimischen Grabfeldern, die erst auf dem Papier vorhanden sind, stören sich dagegen in Schlieren einige. Am Montag beschliesst das Parlament voraussichtlich über eine Friedhofverordnung, die unter anderem die Einrichtung eines muslimischen Grabfeldes vorsieht. Sie wird es schwer haben, denn neben der SVP haben sich überraschend auch die FDP und die CVP dagegen ausgesprochen. Die FDP hat dabei argumentativ eine Vorreiterrolle übernommen, und bei der CVP hat die Basis ihren Parteipräsidenten überstimmt, der zuerst spontan von dem «Gebot der Stunde» gesprochen hatte, «den muslimischen Mitbürgern eine angemessene Bestattung zu ermöglichen».

Was heisst «schicklich»?

Das Hauptargument der Gegner: Einer einzelnen Glaubensgruppe Sonderrechte einzuräumen, verstosse gegen die Rechtsgleichheit. Da könnten ja andere Religionsgruppen auch solche Ansprüche erheben. Tatsächlich sind unsere Friedhöfe seit 1874 säkularisiert. Das heisst, sie unterstehen dem Staat und nicht der Kirche. Lange war es zudem im Kanton Zürich verboten, separate Grabfelder nach Konfessionen auszuscheiden. Eine Reaktion auf den Kulturkampf, der mittlerweile überwunden ist. Der Regierungsrat hat dieses Verbot 2001 denn auch aufgehoben. Heute gilt: Jeder hat das Recht auf ein «schickliches Begräbnis».

Was aber heisst «schicklich»? Die FDP Schlieren argumentiert, ein schickliches Begräbnis sei für Muslime bereits unter den geltenden Regelungen gewährleistet. Das ist falsch, denn schicklich ist nicht einseitig das, was sich ein (freisinniger) Schweizer darunter vorstellt. Schicklich muss das Begräbnis vor allem für die hier lebenden Muslime sein. Das bedingt Kompromisse, die in Zürich eigentlich längst geschlossen wurden.


Artikel-Link: https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Erst-integrieren-und-im-Tod-dann-ausgrenzen/story/22099169

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