Bern, 28.09.2011

Von Abdel Azziz Qaasim Illi

Der Fraktionsgeschaeftsfuehrer der Buergerbewegung "Pro Koeln", Manfred Rouhs (M.), teilt den Journalisten und einzelnen Aktivisten am Samstag (20.09.08) auf dem Heumarkt in Koeln mit, dass die Veranstaltung von "Pro-Koeln" von der Polizei aus Sicherheitsgruenden untersagt wurde. Zuvor wurde dem Redner der Strom abgedreht. In der gesamten Koelner Innenstadt protestieren Demonstranten gegen den "Anti-Islamisierungs-Kongress" der Buergerbewegung und sperrten saemtliche Zufahrtsstrassen zum Heumarkt, auf dem die Kundgebung der rechtsgerichteten "Pro-Koeln"-Teilnehmer statt finden sollte. Aus allen Teilen Europas hat die rechtspopulistische Buergerbewegung "Pro Koeln" Teilnehmer zu einem zweitaegigen sogenannten "Anti-Islamisierungs-Kongress" eingeladen. Die Organisation wird seit mehreren Jahren unter dem "Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung" im NRW-Verfassungsschutzbericht aufgefuehrt. (zu ddp-Text) Foto: Torsten Silz/ddp
Der Fraktionsgeschaeftsfuehrer der Buergerbewegung „Pro Koeln“, Manfred Rouhs (M.), teilt den Journalisten und einzelnen Aktivisten am Samstag (20.09.08) auf dem Heumarkt in Koeln mit, dass die Veranstaltung von „Pro-Koeln“ von der Polizei aus Sicherheitsgruenden untersagt wurde. Zuvor wurde dem Redner der Strom abgedreht. In der gesamten Koelner Innenstadt protestieren Demonstranten gegen den „Anti-Islamisierungs-Kongress“ der Buergerbewegung und sperrten saemtliche Zufahrtsstrassen zum Heumarkt, auf dem die Kundgebung der rechtsgerichteten „Pro-Koeln“-Teilnehmer statt finden sollte. Aus allen Teilen Europas hat die rechtspopulistische Buergerbewegung „Pro Koeln“ Teilnehmer zu einem zweitaegigen sogenannten „Anti-Islamisierungs-Kongress“ eingeladen. Die Organisation wird seit mehreren Jahren unter dem „Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung“ im NRW-Verfassungsschutzbericht aufgefuehrt. (zu ddp-Text)
Foto: Torsten Silz/ddp

Ein Bericht des Tages-Anzeigers liess die kleine Gemeinde Siselen im Berner Seeland vor zwei Wochen aufhorchen. Was in deutschen Medien schon seit einigen Wochen die Runde macht, beschäftigt nunmehr auch die Redaktoren in der Schweiz. Und dies mit Grund: Die Hinweise haben sich verdichtet, dass ausgerechnete eine Berner Pfarrerin massgeblich am Betrieb und der Finanzierung der wohl meistgelesenen Anti-Islam Webseite «PI-News» beteiligt war. Das erklärtermassen «pro-amerikanische» und «pro-israelische», vor allem aber anti-islamische Portal geriet nach dem Attentat von Oslo wegen seiner inhaltlichen Nähe zur Ideologie Anders Behring Breiviks ins Kreuzfeuer der Kritik.

Kennern der islamophoben Netzwerke in Europa und den USA ist der Name der Siselener Pfarrerin, Christine Dietrich, spätestens seit ihrem Auftritt am sogenannten «Anti-Islamisierungskongress» in Köln  im Frühjahr 2009 ein Begriff. Die öffentliche Veranstaltung wurde von der aus rechten Kreisen dominierten «Bürgerbewegung pro Köln» organisiert.

Diese vermutlich eher koinzidentielle Nähe zu rechtsextremen Kreisen ist aktuell Hauptgegenstand der Kritik, wie ein Blick ins Bieler Tagblatt (BT) von heute («Wie naiv darf eine Pfarrerin eigentlich sein?») bestätigt. Dabei fällt auf, dass Dietrich ihre Verteidigungsstrategie massgeblich auf Abgrenzung vom Rechtsextremismus aufbaut. So beteuert sie z.B. heute im BT, «dass sie an jenem Kongress nicht teilgenommen hätte, wenn sie damals um den politischen Standort der Organisatoren gewusst hätte». Man ist geneigt zu sagen: «Nichtwissen schützt vor Strafe nicht», wobei das letzte Wort über Strafe oder Vergebung nun der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn haben dürfte.

Lose, unheilige Allianz oder neue Ideologie sui generis?

Ein typisches Merkmal aktiver islamophober Kreise, das nicht alleine bei Dietrich ins Auge sticht, ist die angebliche oder tatsächliche Affinität zu Israel – ein Merkmal, das mit klassischem Rechtsextremismus nun wirklich nur schwer zu vereinbaren ist. Ein weiteres Merkmal, das deutlich gegen eine zwanghafte ideologische Kohäsion zwischen Rechtem und Islamophobem spricht, ist die Thematisierung der Frau als Opfer islamisch-patriarchalischer Strukturen – sind es doch gerade rechte Kreise, die sich nach wie vor für ein klassisches Familienbild und damit verbunden für eine Rollenzuweisung aufgrund des Geschlechts einsetzen.
Freilich mutet es eher lächerlich an, wenn Exponenten rechts-bürgerlicher Parteien, die sonst eine dezidiert anti-feministische Haltung vertreten, aufeinmal zu selbsternannten Nachkämpfern für Frauenrechte avancieren. Dennoch, und darauf kommt es in der öffentlichen Wahrnehmung an, sitzen sie, wenn es um die Islam-Frage geht, mit etwas aus der Mode geratenen Alice Schwarzer Feministinnen, evangelikalen Weltverbesserern und radikalen Zionisten oder solchen, die es gerne wären, im selben Boot.

Der Hass gegen den Islam scheint eine strukturell nur mit dem Antisemitismus vergleichbare ideologieübergreifende Kohäsion zu entwickeln. Dafür spricht auch das deutliche Votum der Schweizer Stimmbürger gegen die Minarette. Obwohl jede Gruppe ursprünglich wohl ihre eigenen Beweggründe für die Ja-Stimme hatte, verbindet sie doch eine gemeinsame, wie auch immer geartete Abneigung gegenüber dem Islamischen.

Ob diese Islamophobie auch in einer zunehmend über den Islam informierten Gesellschaft eine Chance hat, sich zu einer politisch-ideologischen Bewegung von relevantem Ausmass zu entwickeln, ist höchst fraglich. Klar hingegen ist heute bereits, dass Islamophobie keiner politischen Gesinnung exklusiv zugehörig ist. Wer sich also weiterhin bemüht, Islamophobe wie die Pfarrerin Dietrich mit Rechtsextremen in Verbindung zu bringen, gerät im günstigsten Fall in eine Sackgasse. Problematischer wird es dann, wenn auf breiter Front versucht wird, Islamophobie kleinzureden – es an die Ränder der Gesellschaft abzuschieben, als ob es eine seltene Begleiterscheinung des politischen Extremismus wäre.

Das Resultat der Minarett-Abstimmung (57.8% Ja-Stimmen) liess es vermuten. Die heutige Zustimmung der eidgenösischen Volksvertreter, den Niqab im öffentlichen Verkehr zu verbieten, spricht für die These, dass die latente Islamophobie in der Mitte des Gesellschaft angekommen ist. Christine Dietrich dürfte dieses Gefühl der leisen Zustimmung, ja des hinter vorgehaltener Hand verborgenen Stolzes ihrer Kirchgemeinde allsonntäglich zu spüren bekommen – eine beängstigende Entwicklung.

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