Typisch anti-islamisches Weltwochen-Motiv
Typisch anti-islamisches Weltwochen-Motiv

SRF – Die «Zürcher Prozesse» im Theater Neumarkt verhandeln die umstrittenen Kampagnen der «Weltwoche». Warum die Bühne der richtige Ort ist, um Zeitung zu spielen.

Wie bitte, das Theater Neumarkt bietet Hand für eine Anklage gegen das Schweizer Wochenblatt «Die Weltwoche»? Die Reaktionen im Vorfeld der «Zürcher Prozesse» waren bereits heftig. Der linksliberale Mainstream, wie ihn «Die Weltwoche» wohl nennen würde, tuschelte sinngemäss: Oh, man darf diesen menschenverachtenden Journalisten nicht noch eine zusätzliche Bühne geben. Milo Rau, der Regisseur, war schon für verrückt erklärt worden, als er in Weimar und München einen Monolog des Massenmörders Anders Breivik inszeniert hatte.

Nun zweifelte man auch an der geistigen Gesundheit des Theaters Neumarkt in Zürich (am Dienstag, 30. April, ist «Breiviks Erklärung» ausserplanmässig im Neumarkt zu sehen). Einige der Warner vor dem «Weltwoche»-Wochenende waren Journalisten, die man oft im Neumarkt sah, wenn eine gepflegte Diskussion zu philosophischen, literarischen oder politischen Themen auf dem Programm stand. Mit der «Weltwoche», so der Tenor, sei das nicht möglich. Das würde wüst werden. Ui, ui, ui, damit legt ihr euch ein Ei, ei, ei.

Die Angst vor der «Weltwoche»

Derart deutliche Zeichen der Angst sind bereits die halbe Antwort, was ein solches Projekt erreichen kann. Denn auf der Bühne wird nicht getuschelt, sondern laut geredet. Die Ängste können sich entfalten, man kann sie von allen Seiten anschauen. Einige werden vorgeführt. Am Ende verschwinden vielleicht manche. Andere werden bleiben, aber klarere Konturen haben.

Das beschreibt den therapeutischen Nutzen für die geladenen Zeugen der Anklage und der Verteidigung. Es sind alles reale Personen, die mit der «Weltwoche» in Berührung gekommen sind – als mutmassliche Täter oder als Opfer. Es verhält sich zum einen also ähnlich wie in Brechts Lehrstücken: Die Spieler selbst sollen etwas lernen, nicht das Publikum. Auf Deutsch ist das «Lehrstück» ein missverständlicher Begriff. Es müsste «Lernstück» heissen. Auf Englisch ist es richtig: «Learning Play». In den «Zürcher Prozessen» steckt ein Stück Brecht.

 


Artikel-Link: https://www.srf.ch/kultur/im-fokus/die-zuercher-prozesse/das-theater-als-unmoralische-anstalt

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