Berlin, 9.1.2010

***Zitiert nach: Junge Welt***

Von Werner Pirker

Es gehört zu den verfeinerten Methoden der Islamophobie, bevorzugt Leute aus dem islamischen Kulturkreis als Islamkritiker auftreten zu lassen. Diese gebärden sich zumeist nicht als rachsüchtige Konvertiten, auch nicht als geifernde Renegaten. Sie präsentieren sich vielmehr als »aufgeklärte Muslime«, als aus dem Islam kommende Anhänger des westlichen Wertesystems. Von den muslimischen Migranten verlangen sie die gleiche Anpassungsleistung, die sie selbst erbracht haben. Und drohen auch schon mal mit dem Polizeiknüppel, sollte ihren Aufrufen zur religiösen Mäßigung nicht Folge geleistet werden.

Abdel_Samad_book2Der in Deutschland lebende Ägypter Hamed Abdel-Samad tritt für einen »Islam light« ein, für einen »Islam ohne Scharia, ohne Dschihad, ohne Geschlechterapartheid, ohne Missionierung und ohne Anspruchsmentalität«. In einem Beitrag für den Tagesspiegel widerspricht er gleichzeitig vehement der These, daß es unterschiedliche Varianten gebe. Er schreibt: »Wenn Muslime selbst vom Islam reden, im Zusammenhang etwa mit der Einführung von Islamunterricht an europäischen Schulen oder der Beantragung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, dürfen sie von einem einzigen Islam reden. Wenn Muslime von der ›Religion des Friedens‹ sprechen, sagen sie nicht, welchen Islam sie meinen. Wenn aber Islamkritik auftaucht, kommt ein Taschenspielertrick, um die Kritik abzuwürgen: Von welchem Islam sprechen Sie überhaupt?«

Von wegen, es gebe einen radikalen und einen moderaten Islam, einen militanten und einen friedfertigen. Abdel-Samad glaubt offenbar – oder doch eher nicht – an den »einzigen Islam«. Ist der nun aber eine Religion des Friedens? Das Christentum wird von Befreiungstheologen ebenso wie von der römischen Kurie als eine »Religion des Friedens« bezeichnet. Doch schon in der Definition dessen, was Frieden ist, gibt es Unterschiede: darunter eine sozialrevolutionäre Tendenz und eine, die der »gottgewollten Ordnung« den Ewigkeitsstatus zuerkennt. Und dennoch gehen beide Seiten von einem »einzigen Christentum« aus.

Großzügig bietet der frühere Moslembruder Abdel-Samad den »Islam light«, das heißt einen der westlichen Moderne angepaßten an und verwirft ihn gleich darauf als »Taschenspielertrick«. Dem Abendlandverteidiger mit Migrationshintergrund geht es um die Denunziation des »einzigen Islam« als gewalttätige, intolerante Religion. »Wenn wir vom Islam reden«, schreibt er, »meinen wir nicht volkstümliche Erscheinungsbilder, sondern meist die politische Ideologie und die Geisteshaltung, die dem Glaubenssystem Islam entspringen. Es geht um den Islam, der den Westen als eine feindselige gleichgeschaltete Masse sieht und sich davon in jeder Form abgrenzt.«

Abdel-Samad will nicht nur an den Segnungen der westlichen Zivilisation teilhaben, er will sie auch verteidigen. Mit allen zur Verfügung stehenden gesinnungspolizeilichen Mitteln. Wer der deutschen Leitkultur die Anerkennung versagt und ihren politisch korrekten Vorgaben hinsichtlich Frauenrechten, Diskriminierungsverbot usw. nicht folgt, hat seinen Anspruch auf Teilhabe an der deutschen Volksgemeinschaft verwirkt. »Wie will Europa mit Menschen zusammenleben, die nicht dabeiwaren, als die Europäer die Regeln des Zusammenlebens festgelegt haben, und sich nicht verpflichtet fühlen, diese mitzutragen?«, stellt der Leitkulturkommissar die gesamte muslimische Migration unter Generalverdacht. »Wird erneut die Rede von Einzeltätern sein, die den Islam entführt haben? Diskutieren wir weiter über die Heterogenität des Islam, bis die Debatte, wie immer, im Sand verläuft? Oder wird man endlich mit Muslimen über die Regeln des Zusammenlebens deutlicher und mutiger verhandeln müssen?«

Daß die Gesetze der europäischen Gastländer auch für zugewanderte Moslems zu gelten haben, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Worüber also muß verhandelt werden? Muslime, so der Deutsch-Ägypter, »halten ihre eigene Geisteshaltung für höher und moralischer. Auch darüber muß verhandelt werden.« Mit dem Ergebnis, daß die westliche Geisteshaltung, weil in ihrer Toleranz und Weltoffenheit einzigartig, auch von dahergelaufenen Kümmeltürken und Kameltreibern als »höher und moralischer« anerkannt wird. Zumindest einer unter ihnen hat das schon begriffen.

***Ende Zitat***

Quelle: Der Schwarze Kanal: Leitkulturkommissar, Junge Welt, 9.1.2010.

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Veröffentlicht am: 9. Januar 2010
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