Bern/Felsberg 30.06.2010

Die Medien haben eine gesellschaftliche Verantwortung als Sprachrohr für kulturelle Vielfalt und Meinungspluralität. Leider ist gerade die Berichterstattung über den Islam nicht frei von Manipulationen und oft tendenziös. Verschiedene Schreibsöldner versuchen sich auf Kosten der muslimischen Gemeinschaft zu profilieren. Eine Analyse an Hand eines Beispiels.

Von Oscar A.M. Bergamin

IMG_7446_Assadullah_SM«Die Koordination Islamischer Organisationen Schweiz und ihr Präsident unter Kritik»hiess es als Untertitel auf NZZ-Online am vergangenen 17.Juni. Gemeint war Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS), ein «schwach abgestützter Vertreter von Muslimen», so der kommentierende Titel des Autors.
Noch bevor ich den Namen des Autors gelesen hatte, dachte ich, «Ah, Beat Stauffer am Werk», und siehe da, tatsächlich hatte die NZZ wieder mal einen Meinungsartikel vom Schreibsöldner Stauffer Online geschaltet. Unter dem Spardruck bei den Medienhäusern wird gelegentlich mal unter dem Motto «rent a writer» nach einem relativ günstigen «Islamkenner» gesucht und dann offenbar auch schnell gefunden. Und bei den Online-Redaktionen geht man mit der redaktionellen Verantwortung etwas lockerer um, denn Unzulänglichkeiten kann man per Knopfdruck auch schnell wieder entfernen, was bei einer gedruckten Ausgabe schwierig ist. Die echte «Neue Zürcher Zeitung» aus Papier schreibt in den Fussnoten von Stauffers Recherchen und Meinungsartikel klar: «Der Autor ist freier Journalist mit Spezialgebiet Nordafrika. Er lebt in Basel.» Punkt.

Journalistische Quellen bleiben «seltsam verschwommen»

Warum ich sofort wusste, dass da Beat Stauffer am Werk war? Ganz einfach, weil er immer das Gleiche schreibt und das auf höchst tendenziöse Art und Weise. Wenn man in der schweizerischen Mediendatenbank nach Artikeln von Beat Stauffer zum Thema Islam sucht, kann man die zusammenfassenden Indices erfassen und vergleichbar machen. «Vieles bleibt auch nach umfangreichen Recherchen seltsam verschwommen» ist so ein Lieblingssatz von Stauffer, der seit Jahren systematisch versucht KIOS-Präsident Afshar schwarz zu malen. «Die KIOS und Afshar» unter Kritik, steht da Online am 17. Juni im NZZ-Portal. Unter Kritik von wem? Nur unter Kritik von Stauffer, denn die Quellen dafür bleiben eben «seltsam verschwommen». «Kenner der Verhältnisse berichten…» ist so eine herbei gedichtete Quasi-Quelle, wie sie Stauffer gerne verwendet. «Angesichts des Umstands, dass KIOS-Präsident Afshar als einer von zwei Muslimen dem Rat der Religionen angehört und zudem regelmässig mit Behörden Kontakte pflegt, erscheint der Phantom-Charakter seiner Organisation problematisch», schreibt Stauffer. Nun muss man diesen Satz nicht zwei Mal lesen, um ihn zu verstehen, aber im Aktiv bekäme das Portemonnaie des Zeilenschinders Stauffer auf der Einnahmeseite Schrumpelfalten. Stauffer meint einfach: Afshar muss weg! Und warum? Weil Stauffer das schon vor fünf Jahren geschrieben hat und nicht weil es dafür irgendeinen aktuellen Anlass gibt. «Klar ist aber, dass dieser Mann (Afshar) keinesfalls im Sinn hat, den Islam mit der europäischen Moderne auszusöhnen und auf diese Weise einem offenen, an humanistischen Werten orientierten Islam zum Durchbruch zu verhelfen. Er vertritt vielmehr, wenn auch verklausuliert, klar fundamentalistische Positionen. Nur schon aus diesem Grund ist sein Einsitz im Rat der Religionen und in anderen nationalen Gremien nicht unproblematisch» schrieb Stauffer schon 2005 auf dem Basler News-Portal OnlineReports.ch (13. Februar 2005).

Schlüsselelemente des Journalismus bleiben auf der Strecke

Und hier liegen drei Probleme. Erstens ein journalistisches Problem, denn dies hat mit Journalismus oder Berichterstattung nichts mehr zu tun: Die Schlüsselelemente des Journalismus, wie Unparteilichkeit, Fairness und Genauigkeit bleiben völlig auf der Strecke und zudem fehlt der Informationsgehalt gänzlich. Sehr verwunderlich, dass seine «Meinungsartikel» überhaupt abgedruckt werden. Zweitens das Problem Stauffers mit dem Islam. Stauffer hat für sich das Idealbild eines –wie er es selber nennt – «europäischen humanistischen Islam» ausgemalt und jeder der dagegen verstösst – also praktisch jeder Muslim– landet auf seiner Abschussliste. Alle muslimischen Exponenten, die in irgend einer Weise selbstbewusst auftreten und Positionen formulieren, die Stauffer nicht opportun erscheinen, werden systematisch marginalisiert, egal wie sie heissen. Und drittens die Vermischung von Stauffers Problem mit dem Islam und sein journalistischer Umgang damit. Es ist journalistisch gesehen äusserst bedenklich, wenn jemand, der für eine Zeitung arbeitet, gleichzeitig vom gleichen Medium zu denselben Themen selber interviewt wird. Stauffer schreibt für die Basler Zeitung und tritt gleichzeitig bei diesem Blatt als Interviewpartner in Erscheinung. Er arbeitet für das Regionaljournal des Radio DRS und wird dort regelmässig als Gast eingeladen. «Das Integrationsleitbild von Basel müsse angepasst werden. Denn die Integration strenggläubiger Muslime sei heute sehr schwierig, sagt der Islamkenner und freie Journalist Beat Stauffer im Interview mit dem Regionaljournal» (Basler News-Portal OnlineReports.ch). Das muss man sich mal durchdenken: Die BaZ zitiert Stauffer aus dem Regionaljournal DRS, obwohl er sowohl für die BaZ als auch für das Regionaljournal arbeitet. Das gibt’s im Journalismus nie, ausser es stürzt ein Flugzeug ab und der Aviatikspezialist und Autor Sepp Moser wird gefragt, weil er der einzige Spezialist auf diesem Gebiet ist. Die klare Trennung zwischen Fragendem und Antwortgebendem wird vermischt, was Stauffer geschickt ausnutzt, um in journalistische Texte selber Fragen aufzuwerfen und sie gleichzeitig selber zu beantworten ohne dafür einen Beleg zu bringen. Aus «einer jüngst veröffentlichten Studie» (ohne Quellenangabe) wird bei Stauffer zwei Zeilen später plötzlich eine «Informationsschrift» (ebenfalls ohne Quellenangabe). Dazu wirft Stauffer meistens mehr Fragen auf als er beantworten kann und genau das sollte ein Journalist grundsätzlich vermeiden.

Angst vor selbstbewussten europäischen Muslimen

Nachdem Stauffer schon 2006 vergeblich versucht hatte Nicolas Blancho zu diffamieren («Verschwörungstheorien aus dem Berner Seeland», BaZ, 31.August 2006) musste er wohl sehr frustriert gewesen sein, als dieser den Islamischen Zentralrat Schweiz (IZRS) gründete, denn gleich ging die Schiesserei gegen Blancho und den IZRS los: «Islam-Experte Beat Stauffer sagt, der Islamische Zentralrat müsse genau beobachtet werden» (Landbote, 19. April 2010), und: «Konvertitensind oft radikal». Als Begründung führte Stauffer ins Feld: «Ich habe mit mehreren Experten über dieses Thema gesprochen. Alle sind übereinstimmend der Meinung, dass…» Welche Experten? Das erfährt der Leser nie – aber vermutlich hat Stauffer auch nur Selbstgespräche geführt, denn er ist ja selber «der Experte».

Und wie geht Stauffer vor? Eigentlich immer gleich, hier drei Beispiele:

-Zu Farhad Afshar (2005): «Er ist eine elegante Erscheinung, spricht mit sanfter Stimme und ist rhetorisch überaus gewandt: Farhad Afshar, der aus dem Iran stammende Berner Soziologe, ist zum privilegierten Ansprechpartner im interreligiösen Dialog geworden.» Danach folgt die Marginalisierung und wird Afshar zum Phantom erklärt: «Der selbst ernannte Vertreter der Schweizer Muslime ist auch für langjährige Bekannte kaum fassbar und ein Meister der Verschleierung». Oder: «Redegewandt und schlagfertig, bringt es der aus Iran stammende Soziologe, der während langer Jahre an der Universität Bern unterrichtet hat, immer wieder fertig, irritierende Stellungnahmen abzugeben»
(Juni 2010).

-Zu Tariq Ramadan (27. Juni 2006 in der BaZ) «…Dann kam Tariq Ramadan, Redner, Buchautor und Prediger, den viele für einen der weltweit bekanntesten Schweizer Intellektuellen halten, und eroberte sogleich die Herzen: Mit seiner eleganten Erscheinung, seiner gewinnenden Art, seiner rhetorischen Begabung und seinem Showtalent, die ihn zum Superstar der islamischen Weltbild-Vermittlung machen». Danach folgt die Marginalisierung: Ramadan wird von Stauffer zum «schillernden Referenten» und «Eloquenten» (www.beatstauffer.ch) gemacht, der «Debatten – und auch harten Interviews durch die Medien in aller Regel aus dem Weg geht».

-Zu Nicolas Blancho (31.August 2006): « Seine Haut ist bleich, sein rötlichbrauner Vollbart weist auf europäische Wurzeln, und auf dem Kopf trägt er ein weisses Gebetskäppchen. Der junge Mann, der mich in seiner Wohnung in einem Bieler Aussenquartier empfängt, wirkt sanftmütig und fast ein wenig schüchtern. Er spricht ein gemächliches Berndeutsch». Dann folgt Stauffers Urteil und Blancho wird gleich zum Phantom und gefährlichen Wahhabiten: «Doch der Versuch, das Islam-Verständnis des Bieler Konvertiten näher auszuleuchten und dabei auch die erwähnten Äusserungen korrekt zu verstehen, erweist sich als schwieriges Unterfangen. Es gebe nur ‘einen Islam’ (also kein Euro-Islam à la Stauffer), und er befolge ganz einfach ‘die Prinzipien des Islam’. Damit vertritt Blancho einen von der wahhabitischen Lehre geprägten, rigiden und buchstabengetreuen Islam, der keinerlei Raum kennt für eine zeitgemässe Interpretation…». Und zu den Teilnehmern am Zentralratsseminar in Disentis: «Sind sie fromme Muslime oder labile Mitläufer mit Hang zum Terror?» (19. April 2010)

Fertig, Amiin. Stauffer hat es so beschlossen und jetzt sollen Zeitungsleser, Radiohörer, TV-Zuschauer und Online-Server das auch so finden und darum kann der Mann, der ein paar Mal für die NZZ geschrieben hat und einige Reisen nach Nordafrika unternommen hat, durchs ganze Land pilgern und als «Islam-Experte» oder «Experte für die arabische Welt» – gegen Honorar versteht sich – Podiumsdiskussionen moderieren und seine abstruse Ideen verbreiten. Und stets wird er einen neuen «europäischen Citoyen und Muslim in eleganter Erscheinung» finden, der nicht seine Auffassung teilt und dann auf seiner Abschussliste landet. Wir dürfen gespannt sein, wer das nächste «Opfer» auf der Zielscheibe Stauffers ist.

«EU-Beobachter halten Stauffers Geschichten für Nonsens»

Vielleicht sollte eine Redaktion Stauffer mal mitteilen, dass es viele muslimische Krawattenträger mit eleganter europäischer Erscheinung gibt, die sich nach nichts anderem als nach Koran und Sunna des Propheten sallallahu`alayhi wa sallam richten und sich trotzdem zur schweizerischen Rechtsordnung bekennen, wie es auch viele seriöse freischaffende Journalisten gibt, die sich an journalistische Prinzipien halten. Ich kenne persönlich einige europäische Diplomaten in Maghreb-Länder, die Stauffers Geschichten unglaubhaft finden. Mit der Stauffer’schen Methode könnte ich also «glaubhaft» argumentieren, dass «EU-Beobachter in Marokko Stauffers Geschichten für Nonsens halten». Ich mache das aber nicht. Schweizer Muslime und alle Dachorganisationen und Verbände sollen jetzt selber mal die Medienberichterstattung lokal, regional und national analysieren und nicht nur auf Beat Stauffer bezogen, sondern generell etwas daraus lernen, nämlich zu verhindern, dass Leute wie Stauffer einen Keil zwischen die Muslime schlagen können.

*Islam und Medien: Das neue Datum vom Trainingsprogramm Interkulturelle Kommunikation und Medienpraxis  von Bergamin 3C-Project-Management (gesponsert vom IZRS) wird demnächst  bekannt gegeben.

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Veröffentlicht am: 30. Juni 2010
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