Intoleranz gegenüber dem Kopftuch in Heerbrugg
Intoleranz gegenüber dem Kopftuch in Heerbrugg

Die Schwester *lac war am Heerbrugger Infostand der Kampagne «Stolz & Frei» Ende Mai mit dabei und staunte nicht schlecht über das erschreckende Ausmass an Intoleranz und Unverständnis gegenüber dem Kopftuch. Sie nahm sich die Zeit, ihre Eindrücke zu schildern.

Von *lac [Name der Redaktion bekannt]

Wie sieht die Welt in einem Kopftuch aus? Das fragt ein Kopftuchgegner nicht. Aber gefordert wird Toleranz gegenüber dem Volksmehr für ein Kopftuchverbot. Interessant. Diese Sache mit der Toleranz geht so jedoch nicht auf.

Mittlerweile gibt es eine ganze Liste an Argumenten gegen das Kopftuch.Funktioniert eines nicht mehr, wird weiter in der Trickkiste gewühlt, bis ein nächstes Kunststück präsentiert werden kann. „Es ist Zwang“, heisst es scheinbar fürsorglich. „Wir müssen die Kinder davor schützen“. Vor den Eltern beschützen? Vor religiöser Erziehung bewahren? Vor was? Dann sei es ja doch wieder eine Frage der Integration. Ein Stück Stoff als Desintegration? Oder viel eher sei es eine Isolation. „Geht doch dorthin, woher ihr gekrochen seid!“ Aha. Schuld ist also das Tuch.

Nein, schuldig ist die Intoleranz. Was wäre für die tolerante Schweiz denn einfacher, als die muslimische Frau in die Gesellschaft zu integrieren, sie aus der gesellschaftlichen Isolation zu befreien, um sie vor Abwertung und Diskriminierung zu schützen? Mit Kopftuch – anscheinend ein Ding der Unmöglichkeit. Ausziehen! Sagen sie. Anziehen! Sagen wir. Aber gehen wir mal vom Begriff Kopftuch weg. Bedeckung ist das richtige Wort. Bedecken, was man nicht zeigen, nicht entblössen möchte. Kann man dieses Recht einem Menschen nehmen? Nein! Dafür muss man nicht erst verstehen, weshalb oder aus welchen Beweggründen, sondern nur respektieren. Auch das ist zu viel verlangt. „Forderungen, Forderungen, Forderungen“, beschweren sich die Gegner. „Akzeptanz“, kontert die Kopftuchträgerin. „Im Koran steht nichts übers Kopftuch!“ Jetzt wird einem der Koran schon schweizerisch vorgetragen und man wird über zwei oder drei Verse belehrt. Das wird ja unheimlich. „Wir kommen in Frieden“, sagt die Ausserirdische vom Planeten der Kopftücher. Glauben tut’s keiner.

Kann man nun muslimischen Mädchen das Kopftuch in der Schule verbieten? Eine Familie erzieht die Kinder grundsätzlich nach eigenen Wertvorstellungen und dies hat individuellen Vorrang gegenüber der Meinung der Mehrheit. Wie wäre es nun, eine vegetarische Familie als desintegriert zu verpönen und die Kinder zum Fleischkonsum zu animieren oder gar zu zwingen? Ein verheerender Eingriff in die Familienwerte und der elterlichen Erziehungsrechte. „Fremde Werte werden aufgezwungen“, hört man am Infostand. Wie geht das überhaupt? Wie kann man etwas erzwingen? Natürlich durch ein Verbot. Jetzt dreht sich der Spiess um. Die Scheinargumente der Prävention und Integration decken die wahren Motive der Islamgegner immer klarer auf. Wie auch immer, sie dürfen nicht über der Ausübung einer Religion stehen, solange im Rahmen der Legalität – sei es nun die banale Frage der Bedeckung oder, wenn wir schon dabei sind, des Burkinis. Wenn es um das allgemeine Verbot von Kopfbedeckung an Schulen geht: Das Kopftuch eines Mädchens ist keine jugendliche Rebellion, keine Lernbehinderung und keine fehlende Integration seitens der Familie. Fazit: Entkleiden für die Integration? Das geht nicht. Müssen Kopftuchträgerinnen solche Vorwürfe also tatsächlich tolerieren? Nein.

Hier geht es um die Toleranz der Mitmenschen und deren Entscheid gegen das Verbot. Die Kopftücher zweier Mädchen als Projektionsfläche für „Fundamentalismus, Extremismus, Islamisierung und gefährliche Ideologie“ ist schlichtweg eine islamophobe und paranoide Haltung und hat in der Schweizer Realität keinen Anhaltspunkt – und wird es auch zukünftig nicht haben. Sonst müsste man hier weitergedacht überlegen, ob „schwarze Schafe“ – Schweizer oder nicht – plakativ auf die gesamte Volksgruppe weltweit eine pauschalisierende Wirkung haben oder doch nur ein Fall für sich bleiben? Klug differenzieren ist die Devise. Dafür braucht es nicht erst einen „fortschrittlichen Islam“, um die manifeste Identität eines Muslims zu biegen und zu brechen. Bei all der Aufregung fragt man sich sowieso: Ist die Schweiz überhaupt noch fähig eine eigene Identität zu bewahren oder muss „Islamisierung“ als Gefahr des potentiellen Identitätsverlustes herhalten? Wir sagen: „Keine Angst! Wir beissen schon nicht.“

Fazit: Müssen Kopftuchträgerinnen ein Kopftuchverbot bzw. „Entkleidung im Namen der Integration“ also tatsächlich tolerieren? Nein!

Loading

Aktuellste Artikel