23.06.2025
Ist es islamrechtlich erlaubt, die Haare zu färben – etwa zur Kaschierung grauer Stellen oder aus kosmetischen Gründen? Das Färben der Haare ist im islamischen Recht grundsätzlich erlaubt (mubāḥ) und kann unter bestimmten Umständen sogar empfohlen (mustaḥabb) sein – insbesondere, wenn es dem Zweck dient, altersbedingtes Ergrauen zu kaschieren, eheliche Attraktivität zu bewahren oder sich dem äußeren Erscheinungsbild zu widmen. In einem bekannten ḥadīṯ forderte der Prophet ﷺ seine Gefährten auf, sich in diesem Punkt von Juden und Christen zu unterscheiden:
„Die Juden und Christen färben ihre Haare nicht – unterscheidet euch daher von ihnen.“¹ Diese Aussage wurde von vielen Gelehrten als Ermunterung verstanden, insbesondere ältere Männer dazu zu motivieren, ihre Haare mit natürlichen Färbemitteln wie ḥinnāʾ (Henna) oder katam zu behandeln. Als jedoch der Vater Abū Bakrs mit ganz weißem Haar erschien, sagte der Prophet ﷺ: „Ändert dieses weiße Haar, aber meidet die schwarze Farbe.“²
Diese Warnung betrifft nicht das Färben mit Schwarz an sich, sondern das kontextbezogene Schwarzfärben zur Täuschung – etwa im Rahmen von Heiratsanbahnungen oder um Jugendlichkeit vorzutäuschen, wo sie objektiv nicht mehr besteht. Darin sahen viele Gelehrte den Aspekt des taḡrīr (Täuschung) – ein entscheidendes Kriterium für die Bewertung.
Die klassischen Rechtsschulen differenzieren wie folgt:
Diese Differenz ergibt sich nicht aus einem Unterschied im Quellenverständnis, sondern aus der Frage nach der Absicht und der Wirkung. Das Ziel islamischer Ethik ist es nicht, äußere Verschönerung zu unterbinden, sondern sittliche Maßstäbe im Umgang mit dem eigenen Erscheinungsbild zu wahren. Schwarz als Farbe ist nicht problematisch – problematisch wird sie, wenn sie zur Täuschung oder Selbstdarstellung gegen die Wirklichkeit verwendet wird.
Zugleich berichten frühe Quellen von bedeutenden Ṣaḥāba wie Saʿd b. Abī Waqqāṣ oder al-Ḥasan und al-Ḥusayn, dass sie ihre Haare schwarz färbten⁶ – ohne Verurteilung. Im ḥanbalītischen Werk al-Mughnī wird berichtet, dass Isḥāq b. Rāhūyah das Schwarzfärben einer Frau ausdrücklich erlaubte, wenn es zur Zierde für den Ehemann diene⁷. Auch al-Ḥalīmī (šāfiʿītisch) unterschied zwischen Männern und Frauen und hielt Schwarzfärben für Frauen in der Ehe für unbedenklich⁸.
Die oft zitierte Warnung, dass am Ende der Zeiten Menschen „ihre Haare schwarz färben wie die Kropffedern der Tauben“ und „den Duft des Paradieses nicht riechen werden“⁹, bezieht sich nach Meinung vieler Muḥaddiṯūn auf gezielte Täuschung mit betrügerischer Absicht – nicht auf kosmetische Pflege oder eheliche Verschönerung.
Fazit:
Das Färben der Haare – auch aus modischen Gründen – ist islamisch erlaubt, sofern keine bösartige Täuschung beabsichtigt ist, keine gesundheitsschädlichen Stoffe verwendet werden und die Absicht ethisch vertretbar ist. Reines Schwarz ist nach Mehrheitsmeinung makrūh bei älteren Männern, wenn es der bewussten Vortäuschung von Jugend dient. Entfällt jedoch der Täuschungscharakter – etwa bei vorzeitig ergrautem Haar oder bei Frauen zur Zierde innerhalb der Ehe – besteht nach klassischen wie modernen Fatāwā Spielraum zur Erlaubnis. Ein striktes Verbot ist rechtlich nicht haltbar, solange keine klaren Anhaltspunkte für Schädigung oder Täuschung vorliegen.
Endnoten:
Abū Dāwūd, Sunan, Nr. 4212 (ḥadīṯ ġarīb, aber inhaltlich kontextbezogen interpretiert).
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