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FAQ

Ist es erlaubt, dass die Beschneidung von einem Nichtmuslim durchgeführt wird?

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24.06.2025

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Die Beschneidung männlicher Nachkommen ist nach überwiegender Meinung im Islām verpflichtend (wāǧib oder sunna muʾakkada). Entscheidend ist, dass sie fachgerecht durchgeführt wird – nicht zwingend von wem. Es existiert keine Vorschrift, dass der Beschneider Muslim sein muss. In der Geschichte ließen Muslime ihre Söhne oft von erfahrenen Spezialisten beschneiden, unabhängig von deren Religion. So waren etwa im mittelalterlichen Andalusien oder im osmanischen Raum auch jüdische oder christliche Spezialisten (z. B. mohelim) als Beschneider tätig. Die Rechtsgelehrten betonten dabei stets, dass die Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit des Durchführenden ausschlaggebend sei, nicht seine religiöse Zugehörigkeit.

Sicht der ʿawra (Schamzone): Grundsätzlich gilt: Das Entblößen der Scham ist nur in Fällen der ḍarūra (Notwendigkeit) erlaubt. Der Eingriff der ḫitān fällt für männliche Kinder in diese Kategorie, da er religiös motiviert und medizinisch unbedenklich ist. Besonders bei Kleinkindern oder Säuglingen, die noch kein rechtliches Schamempfinden haben, wird die Anwesenheit eines Nichtmuslims als Operateur nicht als Verstoß gegen das Schamgebot gewertet. Selbst bei älteren Jungen überwiegt in diesem Fall die Notwendigkeit.

Schariatische Grundlagen: Die Inanspruchnahme nichtmuslimischer Ärzte ist im Islam grundsätzlich erlaubt, wenn ihre Fachkompetenz gegeben ist und keine Gefährdung für den Glauben oder die Integrität der Person vorliegt. Der Prophet ﷺ selbst nahm die Dienste nichtmuslimischer Ärzte in Anspruch, wie etwa des jüdischen Arztes Ibn Abī Qayṣ. Auch Abū Bakr aṣ-Ṣiddīq hatte einen nichtmuslimischen Bediensteten als Reisebegleiter, wie in Ṣaḥīḥ al-Buḫārī überliefert ist (vgl. Nr. 2264).

Rechtliche Einschätzung:

  • In der al-Mawsūʿa al-fiqhiyya (Kuwait) (Bd. 19, S. 28 ff) wird klargestellt, dass für die Durchführung der ḫitān keine religiöse Bedingung für den Arzt besteht.
  • Auch in modernen Rechtsgutachten wird dies bestätigt: Die Dār al-Iftāʾ Jordanien sowie das ägyptische Iftāʾ-Amt sehen keinerlei Einwand gegen einen fachlich kompetenten nichtmuslimischen Arzt, sofern die Eingriffsbedingungen eingehalten werden.
  • In Šarḥ al-Manhāǧ von Zakariyyā al-Anṣārī (Šāfiʿī) heißt es sinngemäß, dass beim ḫitān der Eingriff selbst zur Sunna zählt, aber nicht, wer ihn ausführt.
  • as-Suyūṭī schreibt in seinem Werk al-Ašbāh wa-n-naẓāʾir, S. 120: „Was in der Religion geboten ist, ist das Ergebnis – nicht zwingend, durch wen es erfolgt.“

Fazit:

Es ist islamrechtlich zulässig, dass ein nichtmuslimischer Arzt die Beschneidung eines muslimischen Kindes vornimmt, solange:

  • der Arzt vertrauenswürdig und fachlich kompetent ist,
  • der Eingriff hygienisch und korrekt durchgeführt wird,
  • keine religiöse Zeremonie (die ein Muslim durchführen müsste) Bestandteil des Eingriffs ist,
  • das Zeigen der ʿawra nur im Rahmen des medizinisch Notwendigen erfolgt.

Wünschenswert ist die Durchführung durch einen muslimischen Spezialisten – insbesondere aus Gründen der religiösen Atmosphäre, der Begleitrituale oder kulturellen Verbindung. Notwendig ist dies jedoch nicht. Entscheidend ist, dass die Pflicht erfüllt wird und dem Kind kein Schaden entsteht.

Endnoten:

  1. al-Buḫārī, Ṣaḥīḥ, Nr. 2264 – Reisebegleiter von Abū Bakr war nichtmuslimisch.
  2. Ibn Ḥaǧar, Fatḥ al-bārī, Bd. 4, S. 264 – zum Umgang mit nichtmuslimischen Dienern.
  3. al-Mawsūʿa al-fiqhiyya, Kuwait, Bd. 19, S. 28 ff. – Eintrag „ḫitān“.
  4. al-Suyūṭī, al-Ašbāh wa-n-naẓāʾir, S. 120 – zur Zielorientierung von Normhandlungen.
  5. Zakariyyā al-Anṣārī, Šarḥ al-Manhāǧ, Bd. 2, S. 305 – zur Zulässigkeit bei ḫitān ohne besondere Personenvorgabe.
  6. Dār al-Iftāʾ Jordanien, Fatwa zum Thema nichtmuslimischer Operateur, Abruf 2021.


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