23.06.2025
Botox (Botulinumtoxin) ist ein neurotoxisches Protein, das in minimaler Dosierung eingesetzt wird, um Muskeln vorübergehend zu entspannen. Es wird sowohl in der medizinischen Therapie – etwa bei chronischer Migräne, Hyperhidrose oder muskulären Dystonien – als auch in der kosmetischen Faltenbehandlung angewandt. Islamrechtlich hängt die Bewertung von drei Faktoren ab: dem Zweck der Anwendung, den verwendeten Substanzen und der ethischen Einordnung des Eingriffs.
In medizinischen Fällen, also bei ärztlich diagnostizierten Leiden, fällt die Anwendung von Botox unter die Kategorie der erlaubten Behandlung (ʿilāǧ), solange keine verbotenen Stoffe enthalten sind. Viele Fatwā-Räte, darunter auch das ständige Komitee Saudi-Arabiens sowie Gelehrte der Azhar-Universität, bejahen die Zulässigkeit bei klarer Indikation und medizinischer Notwendigkeit¹.
Problematischer ist die rein kosmetische Anwendung zur Glättung altersbedingter Falten. Einige Gelehrte betrachten dies als unnötiges Eingreifen in die natürliche Ordnung (fiṭra) und berufen sich auf den Qurʾānvers:
„Und ich werde ihnen befehlen, die Schöpfung Allāhs zu verändern.“ (Q 4:119)
Klassische Kommentatoren wie aṭ-Ṭabarī oder Ibn ʿAšūr verorten diesen Vers jedoch im Kontext grundlegender anthropologischer Umwandlungen (wie Kastration oder Geschlechtswechsel), nicht in reversiblem kosmetischem Maßstab. Dennoch vergleichen einige Juristen die Botox-Faltenbehandlung mit dem im ḥadīṯ verurteilten Zähneschleifen (tafliǧ al-asnān)², das aus rein ästhetischen Motiven erfolgt und den Zahnschmelz schädigt. Die Verfluchung betraf dabei vor allem die mutwillige Zerstörung gesunder Körperteile.
Andere Gelehrte weisen hingegen darauf hin, dass Botox – fachgerecht angewendet – reversibel, risikoarm und medizinisch oft unbedenklich ist. Der Effekt hält in der Regel nur wenige Monate an. Die Anwendung wäre somit eher mit temporärer Kosmetik als mit dauerhaften chirurgischen Eingriffen zu vergleichen. Die Islamic Fiqh Academy der OIC erklärt kosmetische Eingriffe dann für zulässig, wenn sie keinen Schaden verursachen, keine Täuschung beabsichtigen und kein dauerhaftes Ergebnis anstreben³.
Ein weiteres zentrales Argument ist das Täuschungsmoment (taḡrīr): Wird Botox verwendet, um das wahre Alter zu verschleiern ohne dies auszuweisen – etwa bei Heiratsanbahnung –, wäre dies problematisch. Wird es hingegen im Rahmen der Ehe verwendet, zur Stärkung des Selbstwerts und ohne schädigende Absicht, liegt aus islamethischer Sicht kein Verbot vor. Entscheidend ist die Absicht (niyya) und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.
Bezüglich der Inhaltsstoffe gilt: Verwendete Materialien müssen frei von unreinen (naǧas) oder verbotenen (ḥarām) Substanzen sein. Ältere Präparate nutzten vereinzelt Enzyme aus Schweinequellen – deren Anwendung wäre nur bei therapeutischer Notwendigkeit erlaubt. Heute gibt es halal-zertifizierte Alternativen, die synthetische oder Rinder-basierte Trägerstoffe verwenden. Vor der Anwendung sollte der Status des jeweiligen Produkts geklärt werden.
Fazit:
Die Verwendung von Botox zu therapeutischen Zwecken ist unter den Bedingungen ärztlicher Indikation, Reinheit des Präparats und professioneller Durchführung erlaubt. Die kosmetische Anwendung ist erlaubt, wenn sie moderat, sicher, frei von Täuschungsabsicht und nicht schädlich ist. Ein pauschales Verbot lässt sich aus den Quellen nicht ableiten. Wer Botox erwägt, sollte Absicht, Maß und medizinische Verträglichkeit sorgfältig prüfen. Islamische Ethik zielt nicht auf asketischen Verzicht, wohl aber auf verantwortliche Selbstpflege im Einklang mit Maß und Würde.
Endnoten:
Kosmetische Eingriffe: Zwischen Körperpflege und Grenzen der Verstümmelung
Dhul Hijja, Arafat, Eid ul Adha – Alle Daten auf einen Blick
Welche Optionen hat eine Frau, wenn der Mann die Scheidung (Ṭalāq) verweigert?
Fatwâ: Ist Musik die Stimme Satans?
Nikah neu denken: So findest du Ruhe und Glück in deiner Ehe