Bern, 23.01.2012

Von Abdel Azziz Qaasim Illi

Die letzten Wochen mögen bei vielen Sympathisanten und Beobachtern für einiges Staunen gesorgt haben. Informationen, zum Teil zutreffend, zum Teil aber auch abenteuerlich konstruiert – scheinbar aus dem tiefen Innern des IZRS-Vorstands – werden nach Jahren wasserdichter Kommunikationsstrukturen so unvermittelt in die Sonntagspresse getragen. In der Tat wurde auch der Vorstand vom Ausmass der Kommunikationspanne überrascht. Anders als die „Sonntagszeitung“ meinen macht, beurteilt er das Leck jedoch nicht als Anzeichen für eine innere Unzufriedenheit unter den Mitgliedern oder gar als Resultat intransparenter Vorgänge. Vielmehr zeigt der Fall auf, wie offen und transparent der Islamische Zentralrat heute, im dritten Jahr seines Bestehens ist. Es ist gerade ein typisches, wenn auch nicht erstrebenswertes Kennzeichen von Körperschaften höheren Organisationsgrades, wenn eine totale Informationskontrolle gegenüber der Öffentlichkeit versagt. Wie in allen grösseren Vereinen findet auch innerhalb des IZRS ein reger Austausch, ein Kommen und Gehen von Mitgliedern, Sympathisanten und Besuchern statt. Interne Memoranden werden regelmässig an rund 34 Aktivmitglieder versandt. Aktivmitglieder haben nicht immer die gleiche Meinung, üben intern z.B. an der Generalversammlung Kritik oder machen ihrerseits Vorschläge zuhanden des Vorstands. Wo gibt es das nicht?

Um Missverständnissen vorzubeugen: Eine solch öffentliche Streuung von Informationen, seien sie nun wahr oder aus der Luft gegriffen, ist natürlich niederträchtig und kann den Interessen einer Körperschaft unter ungünstigen Umständen schaden. Im vorliegenden Fall konnte das Leck eindeutig identifiziert werden, nicht zuletzt, da der Betreffende sich von der „Sonntagszeitung“ am 15. Januar 2012 direkt zitieren liess. Aufgrund seiner langjährigen Verbundenheit mit dem Verein ist klar, dass er Zugriff auf etliche Memoranden und interne Projektideen hatte, die nun offenbar in voller Länge der „Sonntagszeitung“ vorliegen.

Auch wenn das Mass an Treulosigkeit in der aktuellen Situation als Ermahnung zum gemeinschaftlichen Zusammenhalt dienen soll, machen wir uns nichts vor: Jede Oragnisation höherer Komplexität hat mit solchen Problemen zu kämpfen. Dies gilt auch für uns Muslime. Nicht umsonst finden sich viele Überlieferungen, die genau diesen Sachverhalt beschreiben und die betreffenden Sünder je nach Absicht (arab. niyya) und Tathergang in drei Kategorien abhandelt:

Üble Nachrede (arab. ghiba):

Abu Huraira (ra) berichtete, dass der Gesandte Allahs (saws) fragte: „Wisst ihr, was üble Nachrede (arab. ghiba) ist?“, da sagten sie: „Allah und Sein Gesandter wissen es am besten“, da sagte er: „Wenn du über deinen Bruder etwas erwähnst, was ihm verhasst ist“, worauf sie fragten: „Und wenn es stimmt, was ich über meinen Bruder sage, o Gesandter Allahs?“ Da sagte er: „Wenn es stimmt, was du über deinen Bruder sagst, dann hast du ihm übel nachgeredet, und wenn es nicht stimmt, dann hast du ihn verleumdet (arab. bahattah)“.
(Muslim 2589)

Heuchelei (arab. nifaaq)

Abu Huraira (ra) berichtete, dass der Gesandte Allahs (saws) gesagt hat: „Ein Heuchler besitzt drei Kennzeichen: Wenn er spricht, lügt er. Wenn er ein Versprechen gibt, bricht er es, und wenn ihm etwas anvertraut wird, verrät er es.(Buchari/Muslim)

Verrat (arab. khiyaana)

„Und wenn du von einem Volk Verrat fürchtest, so verwirf [den] gegenseitigen [Vertrag]. Wahrlich, Allah liebt nicht die Verräter.“
(Surat al Anfal, 58)

Schliesslich ist das Vorgehen der „Sonntagszeitung“ zumindest fragwürdig. Natürlich nötigt der Wettbewerb um Informationen jedes Medienunternehmen, seine Leserschaft stets auf dem aktuellsten Stand zu halten und dabei zuweilen wohl auch mit Absicht weniger Wert auf den Wahrheitsgehalt der publizierten Inhalte, als auf die zu erwartende Brisanz der Information zu legen. Im vorliegenden Fall stützt sie sich der ehemalige „Weltwoche“-Journalist, Daniel Glaus, jedoch auf eine einzige ehemalige IZRS-interne Quelle, die wie oben beschrieben durch eine langjährige Verbundenheit mit dem Verein Zugriff auf einen Teil der Internas hatte. Die Berufung auf „Aktivmitglieder“ (im Plural) ist mit Sicherheit ein reiner Bluff. Interessant ist, dass eben dieser Journalist in der „Weltwoche“ 15/2010 über seine heute einzige Quelle herzog, z.B. indem er „ehemalige Arbeitskollegen“ des betreffenden zu Wort kommen liess, die ihm Hochstapelei vorwarfen: „Er kann Wunschdenken und Realität nicht unterscheiden“, hiess es damals noch. Heute, knapp zwei Jahre später erscheint Glaus dieselbe Quelle gut genug, um sich ausführlich und exklusiv auf sie stützen zu können.

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