der Mawlid: Islamisch-normativ oder muslimische Tradition?
der Mawlid: Islamisch-normativ oder muslimische Tradition?

Der 12. Rabi‘ al-Awwal gilt allgemein als der Geburtstag des Propheten Muhammad (saws). Auch dieses Jahr feiern Muslime weltweit auf verschiedene Art und Weise im Andenken an den letzten Propheten. Die Gelehrten stritten seit jeher über die Normkonformität dieser Andacht. Ein kurzer Überblick.

(qi) Wer sie nicht kennt, sollte sie auf jeden Fall einmal ausprobieren: Die zuckersüssen ‚Araa’is-Gebäcke, welche auch diese Tage in Ägypten wieder hoch im Kurs sind. Jene sind untrennbar mit den eindrücklichen Mawlid-Umzügen in den Strassen der Kairiner Innenstadt verbunden und dies nicht erst seit gestern. Die an katholische Heiligen-Prozessionen erinnernden Mawlid-Märsche blicken in Kairo auf eine lange Tradition zurück. In den Quellen detailreich beschriebenen, haben die Umzüge ihre Wurzeln im 13. Jh. Damals wie heute waren es die sufischen Orden, welche für die Organisation und Durchführung der öffentlichen Veranstaltungen zuständig waren. Erste Zeugnisse semi-öffentlicher Mawlid-Verstanstaltungen gibt es bereits im fatimidischen Kairo. Allerdings ist anzumerken, dass damals neben dem Geburtstag des Propheten (saws) auch jene anderer für die Schiiten wichtigen islamischen Integrationsfiguren wie etwa ‚Ali (r) oder Fatima (r) gefeiert wurden. Jene Feiern scheinen von staatlicher Seite her initiiert worden und ein rein schiitisches Phänomen gewesen zu sein. Zumindest gibt es ausser bei den schiitisch-fatimidischen Historiografen al-Maqrizi und al-Qalqashandi keine etwa sunnitischen Zeugnisse jener vermeintlich frühen Mawlid-Feiern in Kairo.

Das früheste bekannte Zeugnis einer Mawlid-Feier stammt aus dem 12. Jh. vom Reisenden Ibn Jubayr. Jener aus dem andalusischen Valenzia stammende Beamte, zeichnete seine rihla via Ägypten in den Hijaz, wobei er auch die Pilgerfahrt vollzog, detailliert auf. Aus seinem knapp einjährigen Aufenthalt in Mekka wissen wir, dass bereits damals das Geburtshaus des Propheten (saws) anlässlich des Mawlids für einen breiteren Personenkreis zwecks Besuch und Feier den ganzen Tag geöffnet wurde.

Islamisch-normative Observanz oder muslimische Tradition?

Als sicher gilt, dass der Mawlid in der islamischen Geschichte ein relativ spät auftretendes Phänomen ist. In den frühen Quellen des Islams (Ahadith, Sira, Fiqh oder Tafsir) fehlt jeder Hinweis auf eine Geburtstagsfeier – sei sie nun für den Propheten (saws) oder für eine andere Person. Weder Muhammad (saws) noch die nachfolgenden Khalifen haben anlässlich seines Geburtstags spezielle Gedenken angeordnet.

Anders als etwa das Fest des Fastenbrechens (‚Aid al-Fitr) oder das Opferfest (‚Aid al-Adha) kann der Mawlid nicht als eigentlich ursprünglich islamisches Fest Geltung beanspruchen. Die fehlende normative Grundlage führte seit jeher immer wieder zu Debatten über seine Stellung unter islamischen Gelehrten. Für den in Kairo lehrenden shafi’itischen Jalal al-Din al-Suyuti (15.Jh.) war der Mawlid klar eine Neuerung (bid’a hasana), allerdings eine gute, sofern im Rahmen der Prozessionen nicht gegen islamische Normen verstossen werde [vgl. fatwa, husn al-maqsid fi ‚amal al-mawlid]. Viele klassische Gelehrte teilten diese Ansicht, wonach im Gendenken an den Propheten (saws) anlässlich seines Geburtstags nichts Verwerfliches sein könne, sofern die Praxis dieses Gedenkens nicht in Widerspruch zu etablierten Normen gerate.

Allerdings gab es auch vehementen Widerspruch. So verurteilte der andalusische Malikite Ibn al-Hajaj das Mawlid spezifische Gedenken an den Propheten (saws) bereits im 14. Jh. scharf [vgl. kitab al madkhal].

Auch puritanische Gelehrte wie Muhammad ibn ‚Abd al-Wahhab (18. Jh.) gefolgt von Rashid Rida oder Mahmoud Khattab al-Subki (20. Jh.) kritisierten im Rahmen ihrer ‚Entmystifizierung des Islams‘ den Mawlid als Neuerung (bid’a).

Die Lage heute ist ambivalent

Ob und wie ein Muslim den Mawlid heute ‚feiert‘ ist sehr individuell. Je nach Kontext werden wie einst im 13. Jh. Prozessionen oder Veranstaltungen in Eventhallen von Sufi-Orden organisiert. Die breite Mehrheit jener Muslime, die dem Mawlid besonderen Charakter zuweisen, tut dies jedoch weniger aus einer religiösen Überzeugung, denn aus traditioneller Gewohnheit. In Kairo nehmen heute vergleichsweise eher wenige an den Prozessionen teil. Auf die zuckersüssen ‚Araa’is-Gebäcke allerdings wollen auch die meisten Kritiker des Mawlids nicht verzichten.

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Veröffentlicht am: 3. Januar 2015
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