(qi) Der Gemeinderat von Köniz/Be hält es nicht für nötig, für 1700 Muslime ein Grabfeld zu bewilligen. Er argumentiert vor allem mit einem Mangel an Bedarf. Das Nein erstaune, wegen der rot-grünen Mehrheit im Rat, so die Berner Zeitung. Gemeinderätin Rita Haudenschild (Grüne) hatte die Idee für ein Muslimgrabfeld auf dem Friedhof Nesslerenholz in die Diskussion gebracht, weil es zu entsprechenden  Anfragen gekommen sei. Nun möchte sie selbst jedoch nicht verraten, wie sie abgestimmt hat.

Bestattung zwar teuer, aber immer noch günstiger als eine Rückführung ins Ausland

Zwar bedeute dieser Beschluss nicht, dass Muslime gar nicht in Köniz beerdigt werden könnten, sie müssten jedoch die wesentlich teureren Haingräber beziehen. Ein Heingrab koste rund 3500 Franken, wohingegen ein Reihengrab auf einem muslimischen Friedhof lediglich 1600 Franken gekostet hätte. Haudenschild findet jedoch, dass «eine Überführung in die Heimat noch weit teurer» wäre.

20000 Franken kostet gemäss Farhad Afshar (KIOS) eine solche Überführung. Die Muslime würden sich in der Mehrheit nicht freiwillig im Ausland beerdigen lassen. «Ihnen bleibt nichts anderes übrig, weil es in ihrer Gemeinde keine Muslimgräber gibt», so der KIOS Präsident.

Zweiklassengesellschaft bis in den Tod

Afshar zeigte sich gegenüber der Berner Zeitung enttäuscht vom Könizer Entscheid. Dass Muslime in Köniz nun, um in Einklang mit dem islamischen Ritus in Richtung Mekka beerdigt werden zu können auf ein teureres Haingrab ausweichen müssen, nennt der Soziologieprofessor eine «Zweiklassengesellschaft nach dem Tod». Er bestätigte die verbreitete Auffassung unter Muslimen, wonach sie sich seit Annahme der Antiminarett-Initiative zunehmend auch auf anderen Gebieten rechtfertigen müssen. Dass nun eine rot-grüne Mehrheit den Könizer Muslimen das eigenen Grabfeld verweigert, erstaunt Afshar nicht: «Das Parteibüchlein schützt doch nicht vor Vorurteilen».

Einzige Hoffnung bleibt die Justiz

Die Möglichkeit, dass Muslime sich privat zusammentun und ein Grabfeld erwerben, funktioniert gemäss Afshar auch nicht ohne weiteres. Denn ein solches Grundstück müsste umgezont werden, was wiederum einer Volksabstimmung bedürfte. In der aktuellen, emotional geführten Islamdebatte sei es sehr unwahrscheinlich, dass sie angenommen würde.

Verglichen mit dem angrenzenden Ausland besteht in der Schweiz starker Nachholbedarf in Sachen muslimischer Grabfelder. Im Kanton Bern existieren heute gerade mal in Bern und Thun solche. Schweizweit gibt es deren neun, wobei das Hauptproblem darin besteht, dass gemeindeübergreifende Beerdigungen nicht möglich sind. Letztlich bleibe nur die Möglichkeit eines Musterprozesses. Dabei gehe es um die Interpretation der Verfassung, denn diese garantiere als Grundrechte die Religionsfreiheit sowie eine «schickliche» Bestattung.

USA prangern Minarettverbot und Schikanen gegen Muslime an

Im jährlichen Menschenrechtsbericht der USA war gestern zu lesen, dass Muslime in Mitteleuropa, insbesondere auch in der Schweiz, zunehmender Diskriminierung und Schikanen ausgesetzt seien. Moniert wurde vor allem das Minarett- sowie Kopftuch-Verbot.

Rita Hausenschild verteidigt den Entscheid des Gemeinderats: «Wir haben keinen Entscheid gegen die Muslime gefällt». Vielmehr gehe es um eine Bedarfsabwägung, die nun eben zu Ungunsten der Muslime ausgefallen sei.

Quelle: Berner Zeitung, Nein zum Grabfeld für Muslime, 12.03.2010.

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