Dieses Top FAQ bietet eine Serie von Antworten auf Fragen rund um zeitgenössische Kosmetik. Im Vordergrund steht dabei die Bewertung dieser Eingriffe: Gibt es islamisch zwingende Gründe sie als verboten zu betrachten?
Der Islam versteht den menschlichen Körper als ein anvertrautes Gut – nicht als Eigentum, über das man frei verfügen kann. Er ruft zur Pflege und Würdigung des Körpers auf, verbietet aber willkürliche Verstümmelung und übermäßige Eitelkeit.
In einer Zeit, in der Schönheitsideale über Medien und Werbung definiert werden, stellen sich viele Musliminnen und Muslime die Frage: Was ist erlaubt – und was überschreitet die Grenze? Dürfen Brüste vergrößert werden? Ist Botox erlaubt? Was ist mit Microblading oder Intimchirurgie?
Diese Rubrik bietet fundierte, differenzierte und seelsorgerlich sensible Antworten. Sie stützt sich auf klassische Rechtsquellen und zeitgenössische Fatwas, ohne vorschnelle Urteile zu fällen. Unser Ziel ist es, Orientierung zu geben – nicht zu verurteilen. Denn islamische Ethik kennt kein pauschales „Haram“, wo kein klarer Beweis existiert. Entscheidend ist der Einzelfall – und die Absicht dahinter.
Möge diese Seite helfen, verantwortungsvoll mit dem eigenen Körper umzugehen – im Licht des islamischen Maßes.
Einleitende Bemerkung
Kosmetische Eingriffe im Islam – zwischen Achtung der Schöpfung und legitimer Korrektur
Der menschliche Körper gilt im Islam als anvertraute amāna – ein Schutzgut, das Allāh dem Menschen für eine begrenzte Lebenszeit überantwortet hat. Daraus ergibt sich sowohl die Pflicht zu seiner Pflege, Erhaltung und Heilung als auch das Verbot seiner mutwilligen Schädigung oder Verstümmelung.
Im Zusammenhang mit modernen kosmetischen Verfahren – etwa Haartransplantationen, Hautstraffungen, Brustoperationen oder Botoxbehandlungen – wird im islamischen Raum häufig auf das sogenannte Verbot der „Veränderung von Allāhs Schöpfung“ verwiesen. Gemeint ist meist der Qurʾānvers:
﴿وَلَآمُرَنَّهُمْ فَلَيُغَيِّرُنَّ خَلْقَ اللَّهِ﴾
„Und ich werde ihnen befehlen, und sie werden gewiss die Schöpfung Allāhs verändern.“
(Qurʾān 4:119)
Dieser Vers wird in vielen heutigen Rechtsauskünften pauschal als Beleg gegen körperliche Eingriffe herangezogen. Seine ursprüngliche Bedeutung im Kontext (siyāq), also im Rahmen der Aussage des Šayṭān über seine Verführungsabsichten gegenüber dem Menschen, richtet sich jedoch klar auf die Veränderung der gottgegebenen Ordnung (ḫalq Allāh) im umfassenderen Sinn – nämlich auf Religion (dīn), natürliche Lebensweise (fiṭra) und ethische Grundstruktur. Die klassische Exegese schränkt diesen Begriff deutlich ein: Gemeint sei nicht das Verschönern oder Behandeln einzelner Körperteile, sondern etwa rituelle Kastration, Verstümmelung oder die Umwandlung des Geschlechts.
Aṭ-Ṭabarī (gest. 310/923) etwa kommentiert:
„Was mit ‚Schöpfung Allāhs‘ gemeint ist, ist die Religion Allāhs, nicht die körperliche Gestalt des Menschen.“¹
Ibn ʿAšūr (gest. 1393/1973) präzisiert:
„Die Veränderung, die hier gemeint ist, ist nicht das körperliche Eingreifen wie das Schneiden der Nase oder das Tätowieren, sondern das Verändern der göttlichen Ordnung (niẓām ilāhī) – also die Religion, die Gesetze, das natürliche Gefüge der Menschlichkeit.“²
Auch andere Kommentatoren wie ar-Rāzī, Ibn ʿAṭiyya oder al-Qurṭubī lehnen eine Übertragung dieses Verses auf einfache kosmetische Korrekturen ab. Entscheidend ist dabei ein zentrales Rechtsprinzip der islamischen Usūl-Wissenschaft:
الأصل في الأشياء الإباحة حتى يدل الدليل على التحريم
„Der Grundzustand der Dinge ist die Erlaubtheit, bis ein spezifischer Beweis das Verbot belegt.“³
Deshalb gilt: Solange es keinen klaren Beleg für das Verbot eines bestimmten Eingriffs gibt, bleibt er rechtlich erlaubt (mubāḥ). Diese Grundlage schützt vor vorschnellen, kulturell motivierten Pauschalurteilen.
Ein wichtiger Aspekt, der in vielen Debatten ausgeblendet bleibt, ist die psychologische Dimension. Viele Menschen erleben sichtbare Veränderungen ihres Körpers nicht nur äußerlich, sondern als tiefe seelische Belastung. Klassische Gelehrte wie Ibn Qudāma oder al-ʿIzz b. ʿAbd as-Salām haben die Zulässigkeit von Korrektureingriffen auch dann anerkannt, wenn der Makel vor allem psychisch als entwürdigend empfunden wird. Ibn Qudāma berichtet etwa den Fall eines Gefährten, dem nach Verlust seiner Nase eine Prothese aus Gold eingesetzt wurde – ein Eingriff, der trotz seiner Künstlichkeit erlaubt wurde, weil er zur Beseitigung von Schaden (izālat aḍ-ḍarar) diente.⁴
Auch der Internationale Fiqh-Rat (Majmaʿ al-fiqh al-islāmī) erklärte 2007 in einem Grundsatzbeschluss, dass kosmetische Eingriffe zulässig sind, wenn sie auf das Beheben eines tatsächlichen Leidens (ʿayb) abzielen – unabhängig davon, ob dieses physischer oder psychischer Natur ist.⁵
Die islamische Bewertung kosmetischer Eingriffe lässt sich also nicht pauschal fällen. Vielmehr hängt das Urteil vom Zusammenspiel verschiedener Kriterien ab:
Ob eine Notwendigkeit (ḍarūra) oder ein anerkanntes Bedürfnis (ḥāǧa) besteht, ob ein Schaden vermieden oder verursacht wird (ḍarar), ob Täuschung (taḡrīr) intendiert ist, oder ob ein Eingriff nur der Nachahmung fremder Schönheitsideale dient. Nicht zuletzt ist zu fragen, ob es sich um die Wiederherstellung eines natürlichen Zustands (iʿāda ilā l-ʿāda) oder um eine künstliche Idealisierung ohne realen Bedarf handelt. Dies wird je nach Perspektive unterschiedliche behandelt.
Diese Rubrik soll eine sachlich fundierte, rechtlich und ausgewogene Orientierung ermöglichen. Jede einzelne Frage wird im eigenen Beitrag behandelt: mit Klärung der Fragestellung, Bewertung der Beweislage, Darstellung der klassischen wie zeitgenössischen Rechtsmeinungen sowie einem abschließenden Fazit. Islamische Ethik ist keine starre Regelmoral, sondern eine Maß-Ethik – getragen von Weisheit (ḥikma), Absicht (niyya) und Menschlichkeit.
Endnoten:
- Aṭ-Ṭabarī, Ǧāmiʿ al-bayān ʿan taʾwīl āy al-Qurʾān, zu Q 4:119.
- Ibn ʿAšūr, at-Taḥrīr wa-t-Tanwīr, Bd. 5, S. 160.
- Al-Qarāfī, al-Furūq, Bd. 2, S. 108.
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 85.
- International Islamic Fiqh Academy (IIFA), Beschluss Nr. 173 (2007), Tagung in Jordanien, zum Thema ǧirāḥāt at-taǧmīl.
Ist eine Haartransplantation zulässig, um z. B. eine Glatze oder sehr dünnes Haar zu beheben?
Die Eigenhaartransplantation – bei der körpereigene Haarfollikel (meist vom Hinterkopf) in kahle Stellen verpflanzt werden – gilt nach Ansicht der Mehrheit zeitgenössischer Gelehrter als zulässig (mubāḥ). Der Eingriff dient medizinisch und psychologisch der Wiederherstellung eines natürlichen Zustands und fällt nicht unter das klassische Verbot des waṣl, das auf das Anfügen körperfremder oder unechter Haare zielt. Der Prophet ﷺ sagte: „Allah hat die Haaranfügerin und die, an der angefügt wird, verflucht“ (Muttafaqun ʿalayh) – gemeint war das Anknüpfen fremder Haare zur Täuschung über das Aussehen. 1
Im Gegensatz dazu wird bei der Transplantation eigenes Haar verwendet, das dauerhaft einwächst und somit wieder zur natürlichen Erscheinung der Person wird. Die Gelehrten vergleichen den Eingriff mit dem Beheben eines Defekts (ʿayb) oder dem Wiederherstellen dessen, was natürlicherweise vorhanden war – nicht mit einem rein ästhetischen Eingriff.
Rechtliche Herleitung:
In einem bekannten Hadith (Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 3464) wird ein Mann erwähnt, der unter Kahlheit litt. Er bat Allah durch den Engel um schönes Haar, worauf ihm dieses gewährt wurde. 2 Gelehrte wie Ibn ʿUṯaymīn leiteten daraus ab, dass das Streben nach Haarwuchs legitim sei, sofern es nicht der bösartigen Täuschung dient. Eine Transplantation sei somit nicht verboten, sondern eher eine medizinische Maßnahme zur Wiederherstellung eines Makels. 3
Auch der Internationale Islamische Fiqh-Rat (IIFA) beschloss 2007, dass Haartransplantationen bei Haarausfall erlaubt sind, insbesondere wenn ein erheblicher Leidensdruck vorliegt.4 Es wurde klargestellt, dass die Maßnahme dem Prinzip des ilāǧ (Behandlung) unterliegt und nicht unter kosmetische Manipulation fällt.
Analogie in der klassischen Fiqh-Tradition:
Obwohl die konkrete Technik der Transplantation zur Zeit der klassischen Gelehrten nicht bekannt war, diskutierten sie verwandte Fälle. So wurde etwa das Einsetzen einer künstlichen Nase aus Gold (z. B. durch Arfaǧa b. Asʿad) erlaubt.5 Auch Zahngold oder Prothesen wurden von den meisten Schulen akzeptiert, sofern sie der Wiederherstellung dienen. Das Einsetzen eigenen, versetzten Haares ist aus dieser Perspektive erst recht unproblematisch – im Unterschied zum Verwenden von fremdem Menschenhaar, das nach der Mehrheit der Gelehrten als unrein (naǧis) oder verboten gilt.
Bedingungen für die Erlaubtheit:
- Medizinische Sicherheit: Der Eingriff muss fachgerecht erfolgen und darf keine übermäßigen Risiken mit sich bringen. Eine vorherige ärztliche Abklärung ist geboten.
- Psychologischer Nutzen: Wenn eine Person unter Alopezie leidet – sei es krankheitsbedingt oder altersbedingt –, darf sie diese Behandlung in Anspruch nehmen, um sich selbst wohler zu fühlen.
- Keine Täuschung: Da es sich um eigenes Haar handelt, das dauerhaft wächst, besteht keine Täuschung über die tatsächliche Erscheinung der Person. Auch beim Heiratsanbahnen muss nicht offengelegt werden, dass es transplantiertes Haar ist – es handelt sich um realen Haarwuchs.
- Keine Verwendung fremder Haare: Sollte jedoch Haar von anderen Menschen oder unreinen Quellen verwendet werden, wäre dies islamisch fraglich oder verboten.6
Fazit:
Die Haartransplantation mit eigenem Haar ist im Islam zulässig, sofern medizinische und ethische Bedingungen eingehalten werden. Sie wird nicht als unzulässige kosmetische Veränderung, sondern als legitime Therapie zur Wiederherstellung eines natürlichen Körperzustandes verstanden. Wer unter Haarausfall leidet, darf daher eine Eigenhaartransplantation durchführen lassen – sowohl Männer als auch Frauen, solange dies ohne bösartige Täuschung und auf sichere Weise geschieht. Das Verbot des waṣl bezieht sich auf künstliche oder fremde Haarteile und ist hier nicht einschlägig.
Endnoten:
- Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5935; Ṣaḥīḥ Muslim, Nr. 2120 – Hadith über das Verbot des waṣl.
- Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 3464 – Hadith vom Kahlköpfigen, dem Haar gegeben wurde.
- Ibn ʿUṯaymīn, Fatāwā nur ʿala ad-darb, Band 11, Frage Nr. 379 – zur Erlaubtheit der Haartransplantation.
- IIFA, Beschluss Nr. 173 (18/5), 2007 – Haartransplantation bei medizinischem Bedarf erlaubt.
- Abū Dāwūd, Nr. 4232 – Hadith über Arfaǧa b. Asʿad und die goldene Nase.
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 94; al-Nawawī, Šarḥ Muslim, Bd. 14, S. 81 – zu waṣl mit fremdem Haar.
Ist es erlaubt, dass die Beschneidung von einem Nichtmuslim durchgeführt wird?
Die Beschneidung männlicher Nachkommen ist nach überwiegender Meinung im Islām verpflichtend (wāǧib oder sunna muʾakkada). Entscheidend ist, dass sie fachgerecht durchgeführt wird – nicht zwingend von wem. Es existiert keine Vorschrift, dass der Beschneider Muslim sein muss. In der Geschichte ließen Muslime ihre Söhne oft von erfahrenen Spezialisten beschneiden, unabhängig von deren Religion. So waren etwa im mittelalterlichen Andalusien oder im osmanischen Raum auch jüdische oder christliche Spezialisten (z. B. mohelim) als Beschneider tätig. Die Rechtsgelehrten betonten dabei stets, dass die Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit des Durchführenden ausschlaggebend sei, nicht seine religiöse Zugehörigkeit.
Sicht der ʿawra (Schamzone): Grundsätzlich gilt: Das Entblößen der Scham ist nur in Fällen der ḍarūra (Notwendigkeit) erlaubt. Der Eingriff der ḫitān fällt für männliche Kinder in diese Kategorie, da er religiös motiviert und medizinisch unbedenklich ist. Besonders bei Kleinkindern oder Säuglingen, die noch kein rechtliches Schamempfinden haben, wird die Anwesenheit eines Nichtmuslims als Operateur nicht als Verstoß gegen das Schamgebot gewertet. Selbst bei älteren Jungen überwiegt in diesem Fall die Notwendigkeit.
Schariatische Grundlagen: Die Inanspruchnahme nichtmuslimischer Ärzte ist im Islam grundsätzlich erlaubt, wenn ihre Fachkompetenz gegeben ist und keine Gefährdung für den Glauben oder die Integrität der Person vorliegt. Der Prophet ﷺ selbst nahm die Dienste nichtmuslimischer Ärzte in Anspruch, wie etwa des jüdischen Arztes Ibn Abī Qayṣ. Auch Abū Bakr aṣ-Ṣiddīq hatte einen nichtmuslimischen Bediensteten als Reisebegleiter, wie in Ṣaḥīḥ al-Buḫārī überliefert ist (vgl. Nr. 2264).
Rechtliche Einschätzung:
- In der al-Mawsūʿa al-fiqhiyya (Kuwait) (Bd. 19, S. 28 ff) wird klargestellt, dass für die Durchführung der ḫitān keine religiöse Bedingung für den Arzt besteht.
- Auch in modernen Rechtsgutachten wird dies bestätigt: Die Dār al-Iftāʾ Jordanien sowie das ägyptische Iftāʾ-Amt sehen keinerlei Einwand gegen einen fachlich kompetenten nichtmuslimischen Arzt, sofern die Eingriffsbedingungen eingehalten werden.
- In Šarḥ al-Manhāǧ von Zakariyyā al-Anṣārī (Šāfiʿī) heißt es sinngemäß, dass beim ḫitān der Eingriff selbst zur Sunna zählt, aber nicht, wer ihn ausführt.
- as-Suyūṭī schreibt in seinem Werk al-Ašbāh wa-n-naẓāʾir, S. 120: „Was in der Religion geboten ist, ist das Ergebnis – nicht zwingend, durch wen es erfolgt.“
Fazit:
Es ist islamrechtlich zulässig, dass ein nichtmuslimischer Arzt die Beschneidung eines muslimischen Kindes vornimmt, solange:
- der Arzt vertrauenswürdig und fachlich kompetent ist,
- der Eingriff hygienisch und korrekt durchgeführt wird,
- keine religiöse Zeremonie (die ein Muslim durchführen müsste) Bestandteil des Eingriffs ist,
- das Zeigen der ʿawra nur im Rahmen des medizinisch Notwendigen erfolgt.
Wünschenswert ist die Durchführung durch einen muslimischen Spezialisten – insbesondere aus Gründen der religiösen Atmosphäre, der Begleitrituale oder kulturellen Verbindung. Notwendig ist dies jedoch nicht. Entscheidend ist, dass die Pflicht erfüllt wird und dem Kind kein Schaden entsteht.
Endnoten:
- al-Buḫārī, Ṣaḥīḥ, Nr. 2264 – Reisebegleiter von Abū Bakr war nichtmuslimisch.
- Ibn Ḥaǧar, Fatḥ al-bārī, Bd. 4, S. 264 – zum Umgang mit nichtmuslimischen Dienern.
- al-Mawsūʿa al-fiqhiyya, Kuwait, Bd. 19, S. 28 ff. – Eintrag „ḫitān“.
- al-Suyūṭī, al-Ašbāh wa-n-naẓāʾir, S. 120 – zur Zielorientierung von Normhandlungen.
- Zakariyyā al-Anṣārī, Šarḥ al-Manhāǧ, Bd. 2, S. 305 – zur Zulässigkeit bei ḫitān ohne besondere Personenvorgabe.
- Dār al-Iftāʾ Jordanien, Fatwa zum Thema nichtmuslimischer Operateur, Abruf 2021.
Ist es islamisch erlaubt, sich einen kleinen Diamanten oder Zierstein auf dem Zahn befestigen zu lassen?
Zahnschmuck in Form eines kleinen Strass- oder Kristallsteins auf dem Zahn ist eine moderne kosmetische Erscheinung, die islamrechtlich als mubāḥ (erlaubt) eingestuft werden kann – unter bestimmten Bedingungen. Die einschlägigen Hadithe, die kosmetische Veränderungen an den Zähnen verbieten, betreffen ausdrücklich das at-tafllīǧ li-l-ḥusn, also das Feilen der Zähne zur Erzeugung künstlicher Lücken aus Schönheitsgründen. Der Prophet ﷺ hat in diesem Kontext diejenigen verflucht, „die ihre Zähne feilen, um schöner auszusehen“ (Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5931).
Im Unterschied dazu verändert Zahnschmuck – sofern fachgerecht angebracht – die Zahnsubstanz kaum bis gar nicht dauerhaft. In modernen Verfahren wird ein kleiner Stein meist mit einem speziellen Kleber auf die Zahnoberfläche appliziert, ohne dass diese irreversibel abgeschliffen oder beschädigt wird. Eine solche temporäre Dekoration stellt daher keine unzulässige Verstümmelung dar und ist eher mit der Anwendung von Zahnschmelzschutz oder Zahnlack vergleichbar als mit irreversibler kosmetischer Veränderung.
Klassisch wurde das Einsetzen von Zahngold als medizinisch-funktionale oder dekorative Maßnahme diskutiert. Der bekannte Fall des Ṣaḥābī ʿArfaja, dem nach Verlust seiner Nase ein Goldersatz eingesetzt wurde, wurde vom Propheten ﷺ ausdrücklich gutgeheißen (Abū Dāwūd, Nr. 4232). In Analogie dazu wurden goldene Zahnfüllungen für Frauen stets als zulässig betrachtet, da sie zur Zierde dienen dürfen. Der Einwand gegen Männer betrifft primär das Tragen von Goldschmuck im Allgemeinen – hier wäre Zahnschmuck in auffälliger Form problematisch, insbesondere wenn er als Ausdruck von Eitelkeit verstanden wird oder als Nachahmung weiblicher Zierde (tašabbuh bi-n-nisāʾ).
Bewertung nach islamischen Prinzipien:
- Gesundheit: Ein Zahnschmuck darf keine Schädigung der Zahnstruktur verursachen. Wird für das Anbringen eines Steinchens gesunder Zahnschmelz abgeschliffen oder ein Loch gebohrt, wäre das medizinisch und rechtlich problematisch. Moderne Klebemethoden, die reversibel und zahnschonend sind, erfüllen dieses Kriterium.
- Reinigung und Ritualreinheit (Wuḍūʾ): Der Zahnschmuck darf die Mundhygiene nicht beeinträchtigen. Wenn die glatte Oberfläche des Schmucksteins das Zähneputzen nicht behindert und kein Hindernis für das Wasser beim Mundausspülen darstellt, wird die rituelle Reinheit nicht verletzt. Islamrechtlich ist der Zahnschmuck dem Status einer Zahnfüllung gleichzustellen.
- Intention und Ästhetik: Entscheidend ist, ob der Schmuck aus reinem Geltungsdrang (Riyāʾ) getragen wird oder als schlichter Ausdruck gepflegter Erscheinung. Exzessiver, luxuriöser Zahnschmuck – etwa mit echten Edelsteinen zu hohen Preisen – könnte unter isrāf (Verschwendung) fallen und wäre abzulehnen. Eine bescheidene Verzierung ohne Angeberei ist dagegen zulässig.
- Geschlechterrolle: Für Frauen ist dezente Zierde – auch an den Zähnen – erlaubt, solange sie nicht demonstrativ zur Schau gestellt wird. Bei Männern wäre auffälliger Zahnschmuck eher kritisch zu bewerten, sofern er den Anschein von weiblicher Zierde oder Prahlerei vermittelt.
Fazit:
Ein kleiner Zahnstein (z. B. Diamant oder Kristall) ist bei fachgerechter Anbringung medizinisch unbedenklich und islamrechtlich nicht zu beanstanden, solange kein bleibender Schaden entsteht, keine verschwenderischen Mittel eingesetzt werden und kein moralisch anstößiger Zweck (z. B. Protzerei oder sexuelle Provokation) damit verbunden ist. Frauen können ihn als Teil ihrer persönlichen Zierde tragen. Für Männer ist zurückhaltender Umgang geboten. In allen Fällen gilt: Der Schmuck darf nicht mit rituellen Pflichten kollidieren oder als irreversibles Eingreifen in die göttliche Schöpfung gelten.
Endnoten:
- Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5931 – Hadith über das Feilen der Zähne aus Schönheit; siehe auch Ibn Ḥaǧar, Fatḥ al-bārī.
- Abū Dāwūd, Nr. 4232 – Bericht über ʿArfaja mit der goldenen Nase.
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 85 – Erlaubnis von Zahngold zur Fehlerbehebung.
- Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6, S. 420 – Diskussion zu Mutillation vs. Zierde.
- IslamQA Fatwa Nr. 2282 – Erlaubnis von Zahngold und Vergleich mit Schmuckanbringung.
- Dār al-Iftāʾ Jordanien, Fatwa zum Zahnschmuck, 2021 – sinngemäß: erlaubt, sofern kein Schaden.
Ist es im Islam erlaubt, die Körperbehaarung mit Laser dauerhaft zu entfernen?
Das Entfernen von Körperhaaren ist im Islām grundsätzlich erlaubt und teilweise sogar empfohlen. Das Entfernen der Achsel- und Schambehaarung zählt zur Sunna muʾakkada, wie es in authentischen Hadithen überliefert ist¹. Auch das Kürzen oder Entfernen anderer Körperhaare (z. B. an Beinen oder Rücken) ist grundsätzlich erlaubt, solange es nicht zu einer verbotenen Angleichung an das andere Geschlecht führt. Bei Männern besteht dabei etwa hinsichtlich der Entfernung von Bart oder auffällig männlicher Behaarung eine gewisse Zurückhaltung in klassischen Rechtsmeinungen. Frauen hingegen dürfen – mit Ausnahme der Augenbrauen (Thema namṣ) und der Kopfhaare – ihren Körper umfassend enthaaren.
Die Lasermethode ist eine moderne Technik der Haarentfernung, bei der Haarwurzeln durch Lichtimpulse zerstört werden, sodass das Haarwachstum dauerhaft gehemmt wird. Islamrechtlich gesehen handelt es sich hier lediglich um eine Methode unter anderen – neben Rasur, Wachs oder Enthaarungscreme –, weshalb ihre Nutzung grundsätzlich erlaubt ist, solange keine anderen islamrechtlichen Prinzipien verletzt werden.
Einwände, wonach Laser eine unzulässige Veränderung der Schöpfung (taghyīr ḫalq Allāh) darstelle (vgl. Qurʾān 4:119), sind aus zwei Gründen nicht überzeugend: Erstens ist die Entfernung von Haaren an sich empfohlen oder zumindest erlaubt, sodass ihre dauerhafte Beseitigung keinen qualitativen Unterschied zur wiederholten Rasur darstellt. Zweitens bezog sich der Vers bei den klassischen Exegeten auf tiefgreifende Veränderungen der natürlichen Ordnung (wie Geschlechtsumwandlung oder Verstümmelung)². Die dauerhafte Haarentfernung fällt nicht unter dieses Verbot, da sie ein ästhetisches und hygienisches Ziel erfüllt und keine Verstümmelung oder Verfremdung des Körpers darstellt.
Einzig relevant ist die Wahrung der ʿawra-Grenzen: Wenn eine Frau sich z. B. im Intimbereich lasern lässt, darf das nur durch sie selbst, durch ihre Ehepartnerin oder in medizinisch indizierten Fällen durch eine vertrauenswürdige Ärztin geschehen. Das Zeigen der Intimzone vor einer fremden Person (selbst gleichen Geschlechts) ist grundsätzlich verboten, es sei denn, es liegt ein medizinischer oder funktionaler Notfall vor³. Deshalb sind Heimlasergeräte oder Selbstanwendung unter ärztlicher Anleitung zu bevorzugen. Für Bereiche wie Waden, Unterarme oder Gesicht gelten mildere Regeln, da diese Körperteile – zumindest unter Frauen – nicht zur ʿawra muġallaẓa zählen.
Gesichtshaare dürfen – soweit sie störend oder ungewohnt sind – ebenfalls gelasert werden. Das Entfernen des Damenbarts ist beispielsweise erlaubt, solange dabei nicht die Augenbrauen verändert werden.
Bei Männern ist die Laserepilation des Vollbarts nach klassischer Auffassung problematisch, da der Prophet ﷺ zur Bartpflege und zum Bartwuchs aufgerufen hat. Die vollständige, irreversible Entfernung mittels Laser könnte daher – je nach madhhab – als makrūh oder sogar ḥarām gewertet werden. Anders verhält es sich mit der Entfernung von Rücken- oder Brusthaaren, was in vielen Rechtsmeinungen als mubāḥ (erlaubt) gilt, insbesondere, wenn hygienische oder ästhetische Gründe vorliegen. Die Besorgnis, dies könne als tašabbuh bi-n-nisāʾ (Angleichung an Frauen) gewertet werden, ist heute kontextabhängig zu beurteilen.
Fazit:
Die dauerhafte Haarentfernung per Laser ist islamisch erlaubt, sofern keine gesundheitlichen Schäden zu erwarten sind und die Wahrung der ʿawra bei der Durchführung garantiert ist. Es handelt sich um eine technologische Erweiterung etablierter Methoden der Körperpflege und Hygiene, nicht um eine religiös bedenkliche Innovation. Eine pauschale Einstufung als verboten ist unbegründet. Muslimische Frauen und Männer können diese Methode nutzen – bei Männern allerdings mit Zurückhaltung hinsichtlich des Bartbereichs.
Endnoten:
- Ṣaḥīḥ Muslim, Nr. 257 – „Fünf Dinge gehören zur natürlichen Veranlagung (fiṭra)…“
- aṭ-Ṭabarī, Ǧāmiʿ al-bayān zu Q 4:119; Ibn ʿAšūr, at-Taḥrīr wa-t-Tanwīr, Bd. 5, S. 160.
- al-ʿIzz b. ʿAbd as-Salām, Qawāʿid al-aḥkām, Bd. 1, S. 164; Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 583.
Was sagt der Islam zu Brazilian Waxing: Darf man die Schamhaare von einer anderen Person entfernen lassen?
Die Entfernung der Schamhaare (arabisch: iḥfāʾ al-ʿāna) gehört zu den empfohlenen Hygienehandlungen der fiṭra, wie sie in den überlieferten Aussagen des Propheten ﷺ genannt wird. Muslimische Männer und Frauen sollen diese Pflege regelmäßig vornehmen, spätestens alle vierzig Tage. Der Prophet ﷺ zählte sie neben dem Nägelschneiden und Achselhaarrasieren zu den natürlichen Reinigungsgewohnheiten der Gläubigen¹. Dabei betonen die Gelehrten einstimmig, dass die Intimzone – die sogenannte ʿawra muġallaẓa – grundsätzlich nicht vor anderen entblößt werden darf, selbst nicht vor Personen gleichen Geschlechts, außer in Fällen zwingender Notwendigkeit.
Das eigenständige Entfernen der Schamhaare ist daher die islamische Norm. Die Beauftragung einer fremden Person – sei es eine Kosmetikerin, Freundin oder Bekannte – widerspricht dem Prinzip der ḥayāʾ (Schamhaftigkeit) und der Wahrung der Intimsphäre. Ibn Qudāma (gest. 620/1223) schreibt hierzu: „Das Entblößen der Schamzone ist grundsätzlich verboten, außer bei medizinischer Notwendigkeit, wie etwa einer schwer heilenden Wunde.“² In den klassischen Werken wird zudem betont, dass sogar unter Frauen das Gebiet zwischen Nabel und Knien nicht betrachtet oder entblößt werden darf, solange kein therapeutisches Erfordernis vorliegt³.
Das weitverbreitete Brazilian Waxing im Kosmetiksalon, bei dem die Kundin ihre gesamte Intimregion vor einer fremden Frau entblößt, gilt nach überwiegender Meinung der Gelehrten als islamisch unzulässig. Der Prophet ﷺ sagte: „Ein Mann soll nicht den Schambereich eines anderen Mannes sehen, und eine Frau nicht den einer anderen Frau.“⁴ Dieses Verbot wird nicht relativiert dadurch, dass es sich um Personen gleichen Geschlechts handelt. Der Schutz der ʿawra gilt unabhängig vom Geschlecht der anwesenden Person.
Eine Ausnahme kann vorliegen, wenn es sich um einen medizinisch notwendigen Eingriff handelt – etwa bei Hauterkrankungen, starken Entzündungen oder extremer Behaarung mit nachweislichem Leidensdruck. Auch körperliche Einschränkungen wie Lähmung, extreme Fettleibigkeit oder eine Hochrisikoschwangerschaft können eine Fremdhilfe rechtfertigen – jedoch nur unter strengsten Bedingungen: Die helfende Person muss vertrauenswürdig sein, darf nur das Nötigste sehen, und die Handlung darf keinerlei Lustkomponente beinhalten. Das Ziel ist in solchen Ausnahmefällen ʿilāǧ (Behandlung), nicht kosmetische Optimierung.
Eine besonders sensible Situation stellt die dauerhafte Haarentfernung per Laser dar. Wird diese durch eine Ärztin vorgenommen, gelten dieselben Maßstäbe: Nur wenn ein triftiger medizinischer Grund vorliegt (z. B. chronische Hautirritationen, krankhafter Haarwuchs), wäre eine begrenzte Entblößung zulässig. Reine Ästhetik („glatte Haut aus Modegründen“) rechtfertigt dies nicht. Einige Gelehrte raten in solchen Fällen, dass die Patientin das Gerät unter Anleitung selbst anwendet, ohne dass die behandelnde Person den Intimbereich sieht.
Innerhalb der Ehe jedoch besteht kein Schamgebot zwischen den Partnern. Eheleute dürfen sich gegenseitig bei der Intimpflege unterstützen, wenn sie beide einverstanden sind. In Fällen, in denen eine Frau aus gesundheitlichen oder körperlichen Gründen Schwierigkeiten hat, ihre Schamhaare selbst zu entfernen, ist es besser, wenn ihr Ehemann dies übernimmt als eine fremde Person. Diese Pflege innerhalb der Ehe ist islamisch legitim und kann sogar ein Ausdruck gegenseitiger Fürsorge sein.
Fazit:
Die Pflege der Schamhaare gehört zur religiösen Körperhygiene und sollte grundsätzlich eigenständig vorgenommen werden. Das Delegieren dieser Aufgabe an Fremde ist nur im Fall echter Notlage gestattet – medizinisch oder funktional begründet. Dienstleistungen wie Brazilian Waxing im Kosmetikstudio, bei denen eine Frau sich vollständig entblößt, sind islamisch nicht erlaubt, da sie gegen den Schutz der ʿawra, das Prinzip der Schamhaftigkeit und den sittlichen Rahmen verstoßen. Das eigene Schamgefühl und die Würde sind in der islamischen Ethik höher zu bewerten als makellose Ästhetik. Es gibt heute zahlreiche Hilfsmittel zur Selbstanwendung, die muslimische Frauen nutzen können, ohne ihre Intimsphäre zu kompromittieren.
Endnoten:
- Ṣaḥīḥ Muslim, Nr. 261
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 583 (Kapitel: Ḥukm al-ʿawra)
- al-Nawawī, Šarḥ Ṣaḥīḥ Muslim, zu Hadith 338
- Ṣaḥīḥ Muslim, Nr. 338
- al-ʿIzz b. ʿAbd as-Salām, Qawāʿid al-aḥkām fī maṣāliḥ al-anām, Bd. 1, S. 164
Ist Microblading der Augenbrauen islamrechtlich erlaubt?
Microblading ist eine kosmetische Technik, bei der mittels feiner Klingen Farbpigmente in die oberen Hautschichten der Augenbrauen eingebracht werden, um sie dichter, gleichmäßiger oder symmetrischer erscheinen zu lassen. Es handelt sich um eine Form des sogenannten wašm ḥafīf (leichte Tätowierung), da die Farbe nicht in die tiefe Dermis, sondern nur oberflächlich eingebracht wird und in der Regel nach ein bis drei Jahren verblasst. Die islamrechtliche Bewertung hängt davon ab, ob man es dem klassischen wašm (Tätowieren) oder dem taḥsīn (Verschönern durch erlaubtes Schminken) zurechnet.
Der Prophet ﷺ sagte: „Allah hat die Tätowiererinnen und die tätowierten Frauen verflucht“ (Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5931; Muslim, Nr. 2125). Dieser Hadith bildet die Grundlage für das Verbot permanenter Tätowierungen. Die klassische Definition von wašm beinhaltet das Einbringen von Farbe unter die Haut, sodass sie dauerhaft bleibt – meist verbunden mit Symbolen oder rituellen Mustern heidnischer Herkunft.
Bei Microblading scheiden sich die Gelehrtenmeinungen
Einige, darunter die saudische Fatwa-Plattform IslamQA, halten Microblading für verboten. Ihr Argument lautet: Auch wenn es verblasst, handelt es sich um das Einbringen von Farbpigmenten unter die Hautoberfläche – und der Hadith unterscheide nicht zwischen dauerhaft und temporär. Zudem könne bei manchen Methoden das klassische Verbot des namṣ (Entfernung von Brauenhaaren) hinzukommen, wenn vorher die natürlichen Härchen entfernt werden (vgl. IslamQA, Fatwa Nr. 289930).
Andere Gelehrte, etwa der ägyptische Fatwa-Rat Dār al-Iftāʾ, vertreten eine mildere Auffassung. Sie betrachten Microblading nicht als klassisches Tattoo, da die Farbpigmente lediglich oberflächlich eingebracht werden und wieder verschwinden. Aḥmad Wisām, Fatwa-Sekretär von Dār al-Iftāʾ, erklärte 2022: „Microblading ist keine Tätowierung im klassischen Sinne. Die Farbe wird nicht dauerhaft eingebracht, sondern ähnlich wie Henna in die oberen Hautschichten gesetzt. Es ist eine moderne Methode des Schmückens.“ Die Gelehrten dieser Richtung verweisen darauf, dass früher Henna zum Zeichnen von Mustern auf die Haut verwendet wurde – Microblading sei funktional ähnlich. Auch sei die Intention entscheidend: Geht es um die Korrektur von Lücken oder das Wiederherstellen eines normalen Aussehens, so fehle der Aspekt der „Veränderung der Schöpfung“ im Sinne von Verunstaltung.
Nach dieser Auffassung ist Microblading eher mit länger haltbarem Make-up oder mit Haarfärben vergleichbar – was grundsätzlich erlaubt ist, sofern keine weiteren Verbote tangiert werden. Wird hingegen die Braue vollständig entfernt, um dann künstlich „gezeichnet“ zu werden, fällt dies zusätzlich unter das Verbot des namṣ (Zupfen), das ebenfalls im Hadith als verfluchte Handlung bezeichnet wird. In der Praxis gibt es jedoch Microblading-Methoden, bei denen die natürlichen Härchen nicht entfernt werden, sondern Lücken lediglich ergänzt werden. In solchen Fällen entfällt das Verbot des namṣ.
Aus medizinischer Sicht birgt Microblading Risiken wie Infektionen, allergische Reaktionen und Narbenbildung, insbesondere bei unsachgemäßer Durchführung. Daher sollte es ausschließlich von qualifizierten Fachkräften mit sterilisierten Geräten durchgeführt werden. Zudem ist auf die Unbedenklichkeit der Farbpigmente zu achten – einige enthalten tierische Bestandteile wie Gelatine oder Emulgatoren, die aus unreinen Quellen stammen können. Halāl-zertifizierte Produkte (z. B. in Malaysia oder Indonesien) sind vorzuziehen.
Ein weiterer Aspekt ist die Intention: Wird Microblading eingesetzt, um sich dem Ehemann zu verschönern oder eine krankheitsbedingte Entstellung zu korrigieren, kann es als zulässige Behandlung (ʿilāǧ) gelten. Wird es hingegen zur Täuschung verwendet – etwa um Jugendlichkeit vorzutäuschen oder bei Heiratsabsicht das Aussehen zu manipulieren – ist dies islamrechtlich verwerflich. Der Prophet ﷺ sagte: „Lass das, was dich zweifeln lässt, und entscheide dich für das, was keinen Zweifel in dir auslöst.“ (al-Tirmiḏī, Nr. 2518)
Fazit:
Microblading bewegt sich in einem Graubereich zwischen erlaubtem Verschönern und verbotener Veränderung. Wer auf Nummer sicher gehen will, verzichtet darauf. Wenn aber medizinische oder psychische Gründe vorliegen (etwa vollständiger Haarverlust durch Krankheit oder Trauma), kann es als erlaubte Korrektur gelten. Entscheidend sind die Tiefe des Eingriffs, die Absicht und die verwendeten Substanzen. Für rein modische Zwecke ohne Notwendigkeit bleibt es umstritten. In jedem Fall sollte die Anwendung maßvoll erfolgen und keine unnatürliche Form erzeugen. Der sicherere Weg besteht darin, auf klassische, abwaschbare Kosmetik zurückzugreifen – etwa Augenbrauenstifte oder Henna –, die unstrittig erlaubt sind.
Belege:
– Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5931; Muslim, Nr. 2125 (Hadith über Tätowierungen)
– IslamQA, Fatwa Nr. 289930 (Verbot wegen Tattoo und namṣ)
– Dār al-Iftāʾ, Ägypten, Fatwa vom 07.12.2022 (youm7.com)
– Islamweb, Fatwa Nr. 431164 (Microblading ist erlaubt, wenn kein namṣ)
– Majmaʿ al-Fiqh al-Islāmī (OIC), Beschluss 173 (2007): Erlaubnis kosmetischer Eingriffe bei Leiden
– al-Qarāfī, al-Furūq, Bd. 2, S. 108
– al-Tirmiḏī, Nr. 2518 (Hadith über Gewissheit und Zweifel)
Dürfen muslimische Frauen sich die Geschlechtsteile oder die Brustwarzen piercen lassen?
Das islamische Recht schützt den menschlichen Körper in seiner natürlichen Unversehrtheit (fiṭra) und betrachtet ihn als amāna – ein anvertrautes Gut, das sorgfältig behandelt werden muss (vgl. Q 23:14). Der Intimbereich und die weibliche Brust gehören zur besonders geschützten Schamzone (ʿawra muġallaẓa), deren Verletzung oder Verformung nicht ohne zwingenden Grund erlaubt ist.
Ein kosmetischer oder erotischer Schmuck wie Genital- oder Brustpiercings fällt unter die Kategorie „körperverändernde Eingriffe ohne Notwendigkeit“. Ihre islamrechtliche Bewertung ergibt sich aus den folgenden Kernaspekten:
- Fehlende Brauchbasis (ʿurf) und juristische Grundlage
Während das Ohrlochstechen bei Frauen auf authentischer Sunna beruht (vgl. Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 1466), gibt es keinerlei Beleg dafür, dass im Islām zu irgendeiner Zeit Genital- oder Brustpiercings als erlaubter Schmuck praktiziert wurden. Weder in der Prophetenzeit noch in den Jahrhunderten danach ist diese Praxis dokumentiert. Es fehlt somit eine ʿāda šarʿīya (religiös anerkannte Gepflogenheit), auf deren Grundlage eine Erlaubnis aufgebaut werden könnte. Wobei dies allein auch kein Verbot bedeutet.
Selbst Nasenpiercings wurden in manchen šāfiʿītischen Regionen untersagt, weil sie dort nicht als Zierde galten (vgl. al-Qalyūbī, Ḥāšiya 1/120). Umso mehr gilt dies für Piercings, die sich in einer Zone befinden, die von Allāh ausdrücklich mit Würde (karāma) geschützt wurde (vgl. Q 17:70). Dies ist an sich dennoch nicht ausreichend für die Herleitung eines expliziten normativen Verbots. Allerdings greifen hier andere Rechtsmechanismen.
- Verbot des Schadens (ḍarar)
Ein islamisches Grundprinzip lautet:
„Lā ḍarar wa-lā ḍirār“ – „Es soll kein Schaden zugefügt werden, weder einem selbst noch anderen.“
(Aḥmad, Ibn Māǧa, Nr. 2341)
Brust- und Genitalpiercings können medizinisch erhebliche Komplikationen verursachen:
- Infektionen in sensiblen Schleimhäuten oder Drüsen
- Schädigung von Nerven oder empfindlichem Gewebe
- Störungen bei Stillen (Brustwarzen)
- Verunmöglichung oder Verzögerung der rituellen Reinheit (wuḍūʾ, ġusl)
Diese Aspekte fallen unter das islamrechtliche Verbot, den Körper ohne Notwendigkeit zu verletzen. Auch bei Zustimmung des Ehepartners bleibt das Risiko objektiv bestehen.
Medizinische Risiken und funktionale Einschränkungen
Neben dem grundsätzlichen Schadensverbot (lā ḍarar wa-lā ḍirār) und dem Schutz der ʿawra ergeben sich bei Genital- und Brustpiercings zusätzliche medizinisch dokumentierte Risiken, die auch langfristige funktionale Einschränkungen betreffen:
a) Beim Geschlechtsverkehr:
- Genitalpiercings (z. B. Klitoris-, Schamlippen-, oder Vorhautpiercing) können beim Geschlechtsverkehr Schmerzen, Blutungen oder Irritationen verursachen, insbesondere durch Reibung, ungewollte Bewegungen oder unpassende Positionierung.
- Partner können sich an den Metallteilen verletzen (Abrisse, Mikrotraumata).
- Einige Fachartikel verweisen auf eine erhöhte Infektionsrate (Urethritis, Vaginitis) und das Risiko von Narbenbildung, die die sensuelle Wahrnehmung beeinträchtigen kann.
b) Beim Stillen:
- Brustwarzenpiercings bergen die Gefahr, dass die Milchkanäle beschädigt werden. Dies kann zu folgenden Problemen führen:
- Milchstau, Mastitis (Brustentzündung),
- reduzierte Milchmenge, gestörter Milchfluss,
- erhöhte Infektionsanfälligkeit für Mutter und Kind,
- Gefahr für das Kind, kleine Metallpartikel oder Bakterien aufzunehmen.
Laut klinischer Studien (z. B. La Leche League International, Breastfeeding Medicine, Vol. 8, Nr. 6) empfehlen Kinderärzte und Stillberaterinnen dringend, Piercings vor der Stillzeit zu entfernen oder gänzlich darauf zu verzichten, da sie Stillhindernisse darstellen und ein erhöhtes Komplikationsrisiko bedeuten.
- Erotik und Zierde – ist die Absicht legitim?
Grundsätzlich ist sexuelle Lust in der Ehe erlaubt und erwünscht. Doch die Mittel zur Luststeigerung dürfen die Grenzen der erlaubten Körperveränderung nicht überschreiten. Die klassische Fiqh unterscheidet scharf zwischen:
- legitimer Pflege und natürlicher Zierde
- unnatürlicher Manipulation und Verstümmelung (muṯla)
Ibn Ḥaǧar al-Haytamī erklärt, dass jede Veränderung, die keine Verschönerung im anerkannten Brauch ist oder keinem Defekt entgegenwirkt, unter taġyīr ḫalq Allāh fallen kann (vgl. al-Zawāǧir, Bd. 1, S. 126). Das Anbringen eines Rings durch eine empfindliche Brustwarze oder das Perforieren des Genitalbereichs erfüllt keinen klassischen Zierwert und ist weder medizinisch noch kultisch begründet.
- Verstümmelung oder Provokation?
Piercings an Brust oder Genitalien werden in vielen islamischen Rechtstexten unter „Verstümmelung“ (muṯla) oder Herabwürdigung des Körpers (ihāna) diskutiert, wenn kein relevanter Nutzen gegeben ist.
Zudem werden derartige Moden oft mit westlich-erotisierten Subkulturen oder sexualisierter Popkultur assoziiert. Damit droht ein Verstoß gegen das Prinzip tashabbuh bi-l-fussāq. Der einzig mögliche Rahmen, dies dennoch zu legitimieren, wäre innerhalb einer Ehe. Wenn etwa der Ehemann eine bestimmten Fetisch diesbezüglich hat.
- ʿAwra-Status und Intimsphäre
Die ʿawra darf nur in medizinischer Not oder innerhalb der Ehe offenbart werden. Piercings im Intimbereich bedingen aber Entblößung beim Stechen, Kontrollterminen und Pflege.
Diese faktische Entblößung vor Nichtmaḥramen ist harām, sofern nicht durch echte medizinische Notlage begründet.
- Rechtsmeinungen klassischer und zeitgenössischer Autoritäten
- Der Permanent Fatwā Committee Saudi-Arabien sowie das Islamic Fiqh Council lehnen Genital- und Brustpiercings ab, da sie „keinen anerkannten Nutzen darstellen, den Körper schädigen und den Bereich der ʿawra betreffen“.
- Die International Islamic Fiqh Academy (IIFA) erwähnt, dass „Veränderungen ohne legitimierende Notwendigkeit am Geschlechtsbereich unter Missbrauch der Schöpfung fallen“.
- Islamweb nennt Intimpiercings „verwerflich“, selbst innerhalb der Ehe, da sie „einen verletzenden, unnatürlichen Eingriff darstellen“ (Fatwa Nr. 506185).
Fazit:
Ein Piercing an der Brust oder im Intimbereich ist islamrechtlich nicht zulässig oder zu vermeiden. Es fehlt:
- die Sunna-Grundlage, obwohl dies kein eindeutiges Verbot bedeutet.
- der anerkannte Brauchwert,
- ein nachweislicher Nutzen,
- und der Eingriff birgt gesundheitliche Risiken.
Ein Brust- oder Genitalpiercing ist nicht nur aus juristisch-normativen Texten eher abzulehnen, sondern auch medizinisch bedenklich, da es
- die funktionale Integrität der Geschlechts- und Brustorgane gefährden kann,
- beim Geschlechtsverkehr Schmerz und Verletzungen verursachen kann,
- die Stillfähigkeit beeinträchtigen und Infektionen begünstigen kann,
- und insgesamt dem Ziel widerspricht, den Körper in Würde, Funktionalität und Reinheit zu bewahren.
Dies wirkt sich wiederum auf die normative Bewertung aus. Die Absicht, sich dem Ehepartner zu verschönern, reicht hier nicht aus, um eine invasive und potentiell schädliche Veränderung an einem der sensibelsten äußeren Körperbereiche zu rechtfertigen.
Belege:
-
- Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 1466 (Ohrringe)
- Ibn Ḥaǧar al-Haytamī, al-Zawāǧir, Bd. 1, S. 126
- al-Qalyūbī, Ḥāšiya, Bd. 1, S. 120
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1
- Fatwa der International Islamic Fiqh Academy, Beschluss 173 (2007)
- Islamweb Fatwa Nr. 506185
- Aḥmad, Ibn Māǧa, Nr. 2341: lā ḍarar wa-lā ḍirār
- Breastfeeding Medicine, Vol. 8, Nr. 6 (2013): "Nipple Piercings and Breastfeeding: Clinical Review"
- La Leche League: „Breastfeeding and Body Modification: Nipple Piercings and Their Impact“
- American Journal of Obstetrics and Gynecology, Vol. 191, Issue 5: „Complications from Genital Piercings in Women“
Sind Piercings im Gesicht aus islamischer Sicht erlaubt?
Das Durchstechen von Körperteilen zum Zweck der Zierde wird im islamischen Recht unter mehreren Aspekten beurteilt: Brauch (ʿurf), gesundheitlicher Schaden (ḍarar), symbolischer Gehalt (tashabbuh) sowie religiöse Einordnung des Eingriffs (Verstümmelung vs. Verschönerung).
Ohrringe – etablierte Sunna
Das Stechen der Ohrläppchen bei Frauen ist durch die Sunna gedeckt. In authentischen Überlieferungen gaben Frauen dem Propheten ﷺ Schmuck von ihren Ohren als Spende (vgl. Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 1466). Ibn Nujaym (ḥanafītisch) schreibt: „Das Durchstechen der Ohren bei kleinen Mädchen ist zulässig, da es der Verschönerung dient und seit der Zeit des Propheten üblich ist.“ (Baḥr ar-Rāʾiq, Bd. 8)
Alle vier Rechtsschulen erlauben Ohrpiercings bei Frauen, wobei geringe Schmerzen aufgrund des dauerhaften Schmucknutzens toleriert werden.
Nasenpiercing – erlaubt bei kultureller Verankerung
Bei Nasenpiercings gehen die Meinungen auseinander. In vielen Kulturen (etwa Südasien, Arabien) ist der Nasenring ein traditioneller Teil weiblicher Zierde. Gelehrte wie Ibn ʿĀbidīn (ḥanafītisch) schreiben: „Wenn es zu den Gewohnheiten der Frauen gehört, ist es wie das Ohrlochstechen und daher zulässig.“ (Radd al-Muḥtār, Bd. 6)
In der šāfiʿītischen Schule äußerte sich al-Qalyūbī zurückhaltender: „Ist es in der Gegend nicht üblich und wird nicht als Zierde empfunden, ist es nicht erlaubt.“ (Ḥāšiyat al-Qalyūbī, Bd. 1, S. 120) Ibn Ḥaǧar al-Haytamī (šāfiʿītisch) sprach sich explizit gegen Nasenringe aus, da sie in seinem Umfeld „keinerlei Zierfunktion“ erfüllten. Das zeigt: Die Rechtmäßigkeit hing stark vom lokalen ʿurf (Gewohnheitsrecht) ab.
Heutzutage ist das Nasenpiercing vielerorts verbreitet, auch unter Musliminnen. In dieser veränderten Realität neigen zeitgenössische Fatwā-Gremien zur Erlaubnis – sofern kein Schaden entsteht und die Intention rein ist.
Lippen-, Zungen-, Brauenpiercing – moderne Erscheinung mit Vorsicht zu bewerten
Diese Formen des Piercings sind historisch kaum belegt und wurden klassisch selten behandelt. Ihre Bewertung erfolgt daher anhand folgender Kriterien:
- Existiert ein anerkannter Zierwert?
Wird das Piercing als weibliche Zierde angesehen oder dient es eher der extrovertierten Provokation?
- Ist es schädlich oder riskant?
Insbesondere Zungenpiercings können zu Infektionen, Zahnschäden oder Sprachproblemen führen – hier greift das Prinzip lā ḍarar wa-lā ḍirār (kein Schaden, keine Vergeltung von Schaden).
- Liegt ein sittlicher Bruch oder symbolischer Missbrauch vor?
Wird das Piercing mit Gruppen oder Szenen assoziiert, die moralisch problematisch sind (tashabbuh bi-l-fussāq)?
Wenn diese Aspekte verneint werden – d. h., wenn die Praxis kulturell normal ist, keine Gesundheit gefährdet und kein anstößiger Kontext vorliegt –, lässt sich islamrechtlich kein klares Verbot aussprechen.
Der Fall des Bauchnabelpiercings – exemplarisch
Obwohl nicht im Gesicht, wird er häufig diskutiert. Der Nabel gehört zur ʿawra der Frau, und Schmuck an dieser Stelle birgt die Gefahr, den Blick fremder Männer auf intime Zonen zu lenken. Dennoch ist ein Piercing dort nicht ḥarām, solange es nicht zur Zurschaustellung führt, sondern etwa für den Ehemann gedacht ist – eine Einschätzung, die viele zeitgenössische Gelehrte teilen (vgl. Islamweb Fatwa Nr. 506185).
Für Männer: Klare Untersagung
Schmuckpiercings im Gesicht sind für Männer nicht erlaubt, da sie unter die verbotene Imitation weiblicher Zierde fallen (tashabbuh bi-n-nisāʾ). Der Prophet ﷺ sagte: „Allah hat diejenigen verflucht, die sich gegenseitig in Kleidung oder Auftreten des anderen Geschlechts nachahmen.“ (Abū Dāwūd, Nr. 4098)
Fazit:
- Ohrringe bei Frauen sind uneingeschränkt erlaubt.
- Nasenpiercings sind bei kultureller Verankerung (z. B. Südasien, Orient) ebenfalls erlaubt und heute auch im Westen meist akzeptiert.
- Andere Gesichtspiercings (Lippe, Zunge, Braue) sind möglich, sofern sie als Zierde gelten, keinen Schaden verursachen und nicht mit unsittlichem Verhalten assoziiert sind.
- Für Männer sind alle Schmuckpiercings im Gesicht verboten.
Islamisches Recht kennt in uneindeutigen Fragen keine Pauschalverbote, sondern prüft individuell nach ʿurf, Absicht, Nutzen und Schaden. Insofern kann ein Nasenpiercing für Frauen zulässig sein – ein Zungenpiercing kann aber als überflüssige Selbstverletzung gelten, wenn eine Gefahr nachgewiesen wird. Maß, Sittlichkeit und Brauch entscheiden. Ist es muslimischen Frauen verboten, die Augenbrauen zu zupfen oder zu formen?
Das Zupfen der Augenbrauenhaare (an-naṁṣ) wird in einem berühmten ḥadīṯ erwähnt. ʿAbdullāh b. Masʿūd berichtet:
„Allāh hat die Tätowiererinnen und die, die sich tätowieren lassen, diejenigen, die (Gesichts‐)Haare entfernen, und die, an denen sie entfernt werden, sowie die (Zähne)feilerinnen für Schönheit – alle, die Allāhs Schöpfung verändern – verflucht.“
(Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5931; Muslim, Nr. 2125)
Dieser authentische Bericht bildet die Grundlage für die traditionelle Untersagung des Augenbrauenzupfens. Der Begriff an-nāmiṣa bezeichnet dabei die Frau, die sich Gesichtshaare – insbesondere die Brauen – aus Schönheitsgründen entfernen lässt.
Doch die Anwendung dieses Hadīṯ bedarf einer kontextuellen Klärung: In der vorislamischen arabischen Gesellschaft war das vollständige Entfernen der Augenbrauen – oft verbunden mit Nachzeichnung durch Schminke – ein bekanntes Erkennungszeichen von Prostituierten oder Frauen mit demonstrativ-eitler Erscheinung. Ibn al-Ǧawzī (gest. 597/1201) verweist explizit darauf, dass das Verbot „auf Frauen der Zīna (Unzucht) in der ǧāhilīya“ ziele, deren äußeres Auftreten „ein rituelles Signal war“ (Aḥkām an-Nisāʾ, S. 168). Ebenso betont al-Qurṭubī in seinem tafsīr zu Q 4:119, dass der Vers und ähnliche Warnungen sich auf „Zeichen sittenloser Frauen“ beziehen – und nicht auf pflegliche Maßnahmen aus legitimer Absicht.
Die vier madhāhib und ihre differenzierten Urteile:
Ḥanafīya
Die ḥanafītische Schule erlaubt das Zupfen unter Bedingungen: wenn es innerhalb der Ehe geschieht, ohne zur Schau gestellt zu werden. Ibn ʿĀbidīn erklärt in Radd al-Muḥtār (Bd. 6, S. 373), das Verbot gelte v. a. für Frauen, „die es tun, um Fremden zu gefallen“. Eine Frau, die sich pflegt, um dem Ehemann zu gefallen oder entstellende Haare zu entfernen, handelt nicht verbotswürdig.
Mālikīya
In malikitischer Sicht ist das Entfernen von Brauenhaar grundsätzlich erlaubt – mit Einschränkung in Zeiten wie der Trauer-ʿidda. In Hāšiyat al-ʿAdawī (1/491) heißt es, dass ʿĀʾiša (raḍiyallāhu ʿanhā) ausdrücklich Frauen riet, sich kosmetisch zu pflegen: „Beseitige das Übel von dir.“ Auch in Tāj al-Iklīl (3/405) wird diese Haltung bekräftigt.
Šāfiʿīya
Obwohl an-Nawawī Zupfen strikt verbot, erlaubt al-Ḥāwī al-Kabīr (Bd. 2, S. 409) das Entfernen, „wenn eine verheiratete Frau sich für ihren Mann schmückt“. Der Autor nennt sogar ein Gegenbeispiel: Frauen, die sich bewusst nicht pflegen, obwohl es ihrem Mann missfällt, verletzen damit die Pflicht zur ehelichen Zierde.
Ḥanbalīya
Hier wird zwischen Zupfen (naṁṣ) und anderen Methoden unterschieden. Ibn Qudāma (al-Mughnī, Bd. 1, S. 85) erklärt, nur das Wurzel-Ausreißen sei gemeint. Ibn al-Ǧawzī wiederum erlaubte Zupfen, wenn keine Täuschung vorliegt und es aus angemessener Motivation geschieht. Auch al-Ġunyā li-ṭālibī ṭarīq al-ḥaqq erwähnt die Erlaubnis des Zupfens auf Wunsch des Ehemannes.
Moderne Bewertungen
Fatwā-Stellen wie die ägyptische Dār al-Iftāʾ erlauben heute ausdrücklich das vorsichtige Formen der Augenbrauen (z. B. Entfernen vereinzelter, unästhetischer Härchen). Sie argumentieren, dass dies noch kein namṣ im Sinne des ḥadīṯ darstellt. Auch der Europäische Fatwa-Rat (ECFR) bestätigt: Kosmetische Korrekturen im natürlichen Rahmen und innerhalb der Ehe sind zulässig, solange keine Täuschung oder Imitation sittenloser Praktiken vorliegt.
Fazit:
Das Verbot des Augenbrauenzupfens in den ḥadīṯen bezieht sich auf exzessive, demonstrativ-sexuelle Modifikation im Stil vorislamischer Prostituierter – nicht auf dezente Pflege oder Zierde in der Ehe. Ein maßvolles Korrigieren oder Säubern der Brauen, etwa bei Monobraue, starker Wucherung oder zur Freude des Ehemannes, wird von vielen Gelehrten als zulässig gewertet. Die entscheidenden Kriterien sind:
- keine Täuschung Außenstehender,
- keine Entfernung der Brauen in Gänze,
Islamische Norm ist den meisten Fällen differenziert, nicht pauschalierend – und die Intention (niyya) entscheidet, ob ein Eingriff erlaubt oder verwerflich ist.
Belege (Auswahl):
- Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5931; Muslim, Nr. 2125.
- Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6.
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1.
- al-Māwardī, al-Ḥāwī al-Kabīr, Bd. 2.
- Hāšiyat al-ʿAdawī ʿalā Kifāyat aṭ-Ṭālib
- Tāj al-Iklīl zu al-Muwaṭṭaʾ
- Ibn al-Ǧawzī, Aḥkām an-Nisāʾ, S. 168
- Dār al-Iftāʾ (Ägypten); Europäischer Fatwa-Rat (ECFR)
Sind Botox-Injektionen im Islam zulässig z.B. um Falten zu glätten?
Botox (Botulinumtoxin) ist ein neurotoxisches Protein, das in minimaler Dosierung eingesetzt wird, um Muskeln vorübergehend zu entspannen. Es wird sowohl in der medizinischen Therapie – etwa bei chronischer Migräne, Hyperhidrose oder muskulären Dystonien – als auch in der kosmetischen Faltenbehandlung angewandt. Islamrechtlich hängt die Bewertung von drei Faktoren ab: dem Zweck der Anwendung, den verwendeten Substanzen und der ethischen Einordnung des Eingriffs.
In medizinischen Fällen, also bei ärztlich diagnostizierten Leiden, fällt die Anwendung von Botox unter die Kategorie der erlaubten Behandlung (ʿilāǧ), solange keine verbotenen Stoffe enthalten sind. Viele Fatwā-Räte, darunter auch das ständige Komitee Saudi-Arabiens sowie Gelehrte der Azhar-Universität, bejahen die Zulässigkeit bei klarer Indikation und medizinischer Notwendigkeit¹.
Problematischer ist die rein kosmetische Anwendung zur Glättung altersbedingter Falten. Einige Gelehrte betrachten dies als unnötiges Eingreifen in die natürliche Ordnung (fiṭra) und berufen sich auf den Qurʾānvers:
„Und ich werde ihnen befehlen, die Schöpfung Allāhs zu verändern.“ (Q 4:119)
Klassische Kommentatoren wie aṭ-Ṭabarī oder Ibn ʿAšūr verorten diesen Vers jedoch im Kontext grundlegender anthropologischer Umwandlungen (wie Kastration oder Geschlechtswechsel), nicht in reversiblem kosmetischem Maßstab. Dennoch vergleichen einige Juristen die Botox-Faltenbehandlung mit dem im ḥadīṯ verurteilten Zähneschleifen (tafliǧ al-asnān)², das aus rein ästhetischen Motiven erfolgt und den Zahnschmelz schädigt. Die Verfluchung betraf dabei vor allem die mutwillige Zerstörung gesunder Körperteile.
Andere Gelehrte weisen hingegen darauf hin, dass Botox – fachgerecht angewendet – reversibel, risikoarm und medizinisch oft unbedenklich ist. Der Effekt hält in der Regel nur wenige Monate an. Die Anwendung wäre somit eher mit temporärer Kosmetik als mit dauerhaften chirurgischen Eingriffen zu vergleichen. Die Islamic Fiqh Academy der OIC erklärt kosmetische Eingriffe dann für zulässig, wenn sie keinen Schaden verursachen, keine Täuschung beabsichtigen und kein dauerhaftes Ergebnis anstreben³.
Ein weiteres zentrales Argument ist das Täuschungsmoment (taḡrīr): Wird Botox verwendet, um das wahre Alter zu verschleiern ohne dies auszuweisen – etwa bei Heiratsanbahnung –, wäre dies problematisch. Wird es hingegen im Rahmen der Ehe verwendet, zur Stärkung des Selbstwerts und ohne schädigende Absicht, liegt aus islamethischer Sicht kein Verbot vor. Entscheidend ist die Absicht (niyya) und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.
Bezüglich der Inhaltsstoffe gilt: Verwendete Materialien müssen frei von unreinen (naǧas) oder verbotenen (ḥarām) Substanzen sein. Ältere Präparate nutzten vereinzelt Enzyme aus Schweinequellen – deren Anwendung wäre nur bei therapeutischer Notwendigkeit erlaubt. Heute gibt es halal-zertifizierte Alternativen, die synthetische oder Rinder-basierte Trägerstoffe verwenden. Vor der Anwendung sollte der Status des jeweiligen Produkts geklärt werden.
Fazit:
Die Verwendung von Botox zu therapeutischen Zwecken ist unter den Bedingungen ärztlicher Indikation, Reinheit des Präparats und professioneller Durchführung erlaubt. Die kosmetische Anwendung ist erlaubt, wenn sie moderat, sicher, frei von Täuschungsabsicht und nicht schädlich ist. Ein pauschales Verbot lässt sich aus den Quellen nicht ableiten. Wer Botox erwägt, sollte Absicht, Maß und medizinische Verträglichkeit sorgfältig prüfen. Islamische Ethik zielt nicht auf asketischen Verzicht, wohl aber auf verantwortliche Selbstpflege im Einklang mit Maß und Würde.
Endnoten:
- Permanent Committee Saudi-Arabien; IIFA-Beschluss Nr. 173 (2007), Azhar-Fatwa-Kommission.
- Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5931 – ḥadīṯ über al-mutafalliǧāt li-l-ḥusn.
- Islamic Fiqh Academy (OIC), Konferenzprotokolle zu kosmetischen Eingriffen, 2007–2015.
Ist es einer Frau im Islam erlaubt, ihre Brüste vergrößern oder straffen zu lassen?
Die islamische Rechtslehre erkennt die Legitimität körperlicher Korrektureingriffe grundsätzlich dann an, wenn ein physischer Schaden, eine funktionale Störung oder ein psychisch belastender Zustand vorliegt. Eine Brustvergrößerung fällt – je nach Kontext – entweder unter die Kategorie der therapeutisch begründbaren Eingriffe (ʿilāǧ), unter die Kategorie der Bedürfnisdeckung (ḥāǧa), oder unter rein ästhetisch motivierte Modifikation (taḥsīn ġayr maḥmūd). Letztere ist im islamischen Fiqh umstritten und bedarf einer besonders sorgfältigen Einzelfallbetrachtung.
Oft wird zur Ablehnung solcher Eingriffe der Qurʾānvers angeführt:
„Und ich werde ihnen befehlen, die Schöpfung Allāhs zu verändern.“ (Q 4:119)
Wie mehrfach dargelegt, bezieht sich dieser Vers laut übereinstimmender Auslegung der klassischen Exegeten (u. a. aṭ-Ṭabarī, ar-Rāzī, Ibn ʿAšūr) nicht auf medizinisch motivierte Körperkorrekturen, sondern auf grundlegende Eingriffe in die göttliche Ordnung – wie Verstümmelung, Kastration oder Geschlechtsumwandlung¹.
Auch der oft zitierte ḥadīṯ über die Verfluchung der Frauen, die sich "aus Gründen der Schönheit" die Zähne feilen lassen (al-mutafalliǧāt li-l-ḥusn)², ist kontextabhängig zu verstehen. Die klassischen Kommentatoren wie an-Nawawī und Ibn Ḥaǧar erklären, dass sich das Verbot auf gesundheitsschädliche oder betrügerische Maßnahmen bezog – etwa das bewusste Täuschen über das Alter oder die Nachahmung heidnischer Schönheitsnormen. Besonders beim Zähneschleifen ist hervorzuheben, dass es medizinisch als schädlich gilt: Das gezielte Ausdünnen der Zähne für eine Zahnlücke greift den Zahnschmelz an und erhöht das Risiko für Entzündungen und Zahnausfall. Daher liegt hier nicht nur eine kosmetische Verschönerung, sondern eine mutwillige Schädigung des Körpers vor – was den Sinn des ḥadīṯ erklärt. Eine medizinisch unbedenkliche, innerlich begründete Verschönerung fällt nicht automatisch unter diesen Fluch.
Die klassischen Schulen des islamischen Rechts lehnen Eingriffe ohne Notwendigkeit mehrheitlich ab. Doch sie erlauben korrektive Maßnahmen bei funktionalen oder seelischen Belastungen. Ibn Qudāma berichtet etwa die Erlaubnis zur Rekonstruktion einer Nase aus Gold bei einem Gefährten, der in der Schlacht verletzt wurde – mit der Begründung: „Die Wiederherstellung der natürlichen Gestalt zur Schadensbehebung ist zulässig.“³
Auf die Brustvergrößerung übertragen bedeutet das:
- Bei medizinischen Gründen – etwa Verlust einer Brust nach Mastektomie, hormonell unterentwickeltem Brustwachstum oder schmerzhaften Deformationen – ist der Eingriff islamrechtlich erlaubt, da er dem Wiederherstellen eines als normal geltenden Zustands dient.
- Bei starkem psychischen Leidensdruck, der etwa durch ausgeprägte Asymmetrien oder als „fehlend“ empfundene Weiblichkeit entsteht, sehen viele Gelehrte im Sinne des Rechtsprinzips rafʿ al-ḥaraǧ (Beseitigung von Unzumutbarem) einen Bereich der ḥāǧa, unter dem eine moderate Korrektur zulässig ist⁴.
Problematisch ist dagegen die ästhetisch motivierte Brustvergrößerung ohne jede Beeinträchtigung. Zahlreiche zeitgenössische Fatwā-Stellen – etwa das Permanent Committee for Scholarly Research in Saudi-Arabien oder AskImam (Hanafī-Schule) – lehnen solche Eingriffe ab, weil sie dem bloßen Streben nach einem künstlichen Schönheitsideal dienen und gesunde Organe betreffen⁵. Sie sehen hierin eine Form der unzulässigen Veränderung, analog zur Tätowierung oder zu rein modisch motivierten Nasenkorrekturen. Doch auch hier gilt: Diese Bewertungen beruhen nicht auf qaṭʿī-Beweisen, sondern auf Analogieschlüssen (qiyās), die angreifbar bleiben, wenn keine Täuschung oder Schädigung vorliegt.
Ein pauschales ḥarām-Urteil für jede Brustvergrößerung ist daher weder aus Qurʾān noch Sunna eindeutig ableitbar. Vielmehr ist zwischen schädlicher Überformung und legitimer Wiederherstellung zu unterscheiden. Auch innerhalb der Ehe kann eine Frau den Wunsch verspüren, ihre Brüste so zu gestalten, dass sie sich ihrem Mann gegenüber wohler und attraktiver fühlt – dies allein ist kein Verbotstatbestand. Entscheidend ist, ob der Eingriff funktional begründet, ärztlich vertretbar und frei von gesundheitlicher Schädigung ist. Risiken wie Kapselfibrose, Implantatversagen oder Verlust der Sensibilität fallen unter das Verbot von Schaden (ḍarar). Ebenso muss die ʿawra gewahrt werden: Der Eingriff darf nur durch qualifizierte Fachärztinnen durchgeführt werden; das Entblößen vor einem männlichen Arzt ist nur im Falle echter medizinischer Notlage erlaubt.
Fazit:
Eine Brustvergrößerung ist islamrechtlich zulässig, wenn sie dem Ausgleich eines echten körperlichen oder seelischen Defizits dient – etwa nach Operation, bei hormoneller Unterentwicklung oder belastender Asymmetrie. In diesen Fällen handelt es sich um einen therapeutischen Eingriff (ʿilāǧ) im Sinne der islamischen Ethik. Ist jedoch alles im anatomisch normalen Bereich und geht es nur um die Steigerung der äußeren Attraktivität ohne inneren Leidensdruck, raten viele Gelehrte von einem solchen Eingriff ab – nicht wegen eines eindeutigen Verbots, sondern aus Vorsicht vor Übertreibung und künstlichem Idealismus. Ein kategorisches Verbot ist aber nur dann haltbar, wenn Täuschung, gesundheitlicher Schaden oder sittlich anstößige Absicht nachgewiesen werden können.
Endnoten:
1. Aṭ-Ṭabarī, Ǧāmiʿ al-bayān, zu Q 4:119; Ibn ʿAšūr, at-Taḥrīr wa-t-Tanwīr, Bd. 5, S. 160.
2. Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5931; Muslim, Nr. 2125 (ḥadīṯ über al-mutafalliǧāt li-l-ḥusn).
3. Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 85.
4. al-Mawsūʿa al-fiqhiyya al-kuwaitiyya, Bd. 12, Eintrag: ǧirāḥāt at-taǧmīl; IIFA-Beschluss Nr. 173 (2007).
5. Fatwā des Permanent Committee, Saudi-Arabien; AskImam.org, Fatwā-Nr. 18510.
Ist es dem Muslim erlaubt, seinen Penis operativ oder auf andere Weise vergrössern zu lassen?
Die Frage nach der Zulässigkeit einer Penisvergrößerung berührt gleich mehrere Ebenen islamischer Ethik: die Bedeutung körperlicher Würde (ḥurma), das Verhältnis von Schönheit und Natürlichkeit, die Grenze zwischen Behandlung (ʿilāǧ) und Verschönerung (taḥsīn), sowie die Bedeutung ehelicher Harmonie. Wie bei allen kosmetisch-medizinischen Eingriffen gilt auch hier: Es existiert kein pauschales Verbot. Vielmehr hängt die Bewertung vom konkreten Anlass, der Absicht (niyya), den Mitteln und der Wirkung ab.
Grundsätzlich erlaubt das islamische Recht körperliche Eingriffe zur Behebung eines Mangels (ʿayb) – selbst dann, wenn dieser vorrangig seelisch empfunden wird. Ibn Qudāma (gest. 620/1223) berichtet etwa von einem Gefährten, dem nach einer Amputation eine goldene Nasenprothese gestattet wurde, um einen entstellenden Makel zu korrigieren. Daraus leiten die Gelehrten ab: „Was zur Wiederherstellung des natürlichen Zustands dient, ist zulässig.“¹
Die Vergrößerung des männlichen Glieds wird in der klassischen Fiqh-Literatur nicht explizit behandelt – nicht, weil sie verboten wäre, sondern weil entsprechende Verfahren medizinisch bis in die Neuzeit nicht existent waren. In Analogie zu anderen Eingriffen im Intimbereich – etwa der Labioplastik oder vaginalen Straffung – kann jedoch eine differenzierte Einordnung erfolgen.
- Zulässig bei objektivem Defizit:
Leidet ein Mann an einem deutlich unterentwickelten Glied (z. B. Mikropenis), das medizinisch diagnostiziert und als funktional oder psychosexuell belastend eingestuft wird, ist ein korrigierender Eingriff islamrechtlich erlaubt. Auch bei Fehlbildungen, postoperativen Veränderungen oder erworbenen Einschränkungen durch Trauma oder Krankheit ist der Eingriff Bestandteil eines therapeutischen Handelns (ʿilāǧ), das nicht unter ein Verbot fällt².
- Zulässig bei starkem psychischen Leidensdruck:
Ein seelisch belastendes Körperempfinden – etwa ausgeprägte Komplexe, die zu ehelicher Hemmung oder partnerschaftlichen Spannungen führen – kann unter bestimmten Bedingungen als ḥāǧa gewertet werden. Zahlreiche Gelehrte erkennen heute die psychosexuelle Dimension körperlicher Integrität an und erlauben maßvolle Eingriffe zur seelischen Stabilisierung, sofern kein gesundheitlicher Schaden entsteht³.
- Problematisch bei reinem Optimierungswunsch:
Wird ein solcher Eingriff ohne Notwendigkeit oder spürbare seelische Belastung nur aus ästhetischer Unzufriedenheit durchgeführt – etwa zur Nachahmung idealisierter Körperbilder oder zur Steigerung sexueller Potenz ohne realen Mangel –, bewerten viele Gelehrte diesen Schritt kritisch. Es handelt sich dann um taḥsīn ġayr maḥmūd – eine nicht notwendige, sittlich fragwürdige Verschönerung, die der natürlichen fiṭra widersprechen kann, auch wenn sie nicht formal ḥarām ist⁴.
Ein pauschales Verbot lässt sich aus den islamischen Primärquellen jedoch nicht ableiten. Weder der oft zitierte Vers „…und sie werden gewiss die Schöpfung Allāhs verändern“ (Q 4:119) noch die ḥadīṯe über kosmetische Eingriffe (z. B. Tätowierung, Zähne feilen) treffen sachlich auf einen medizinisch motivierten Eingriff zur Wiederherstellung oder ehelichen Harmonie zu. Vielmehr gilt der Grundsatz:
„Der Maßstab des Urteils ist die Absicht, der Schaden und das Maß.“
Medizinische und normative Auflagen:
Wie bei allen Eingriffen am Intimbereich gilt:
- Der Eingriff muss medizinisch vertretbar, risikoarm oder sehr gut prognostizierbar sein. Gerade bei der Penisvergrösserung sind aufgrund der wichtigen Blutgefässe einige Risiken mit einem Eingriff verbunden. Diese sind nicht zu unterschätzen. Es ist daher naheliegend, dass ein unnötiger Eingriff nicht bevorzugt werden sollte.
- Die Maßnahme darf nur von qualifiziertem medizinischem Personal durchgeführt werden – mit Wahrung der ʿawra.
- Es dürfen keine verbotenen Substanzen (z. B. nicht-ḥalāl Implantatmaterialien) verwendet werden.
- Die Intention darf nicht Täuschung, Imponierverhalten oder übertriebene Luststeigerung sein, sondern muss in Selbstfürsorge und ehelicher Ausgewogenheit verankert sein.
Fazit:
Eine operative oder sonstige Vergrößerung des männlichen Glieds ist im Islam nicht pauschal verboten. Liegt ein medizinischer oder psychisch belastender Zustand vor, kann der Eingriff unter ʿilāǧ oder ḥāǧa zulässig sein. Ohne solchen Anlass, allein aus Eitelkeit oder reinem Streben nach Optimierung, wird es ethisch fraglich und rechtlich verpönt (makrūh). Die Entscheidung erfordert in jedem Fall eine reflektierte Abwägung unter medizinischer Beratung und ethischer Selbstehrlichkeit.
Endnoten:
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 85.
- al-Mawsūʿa al-fiqhiyya, Bd. 12, Eintrag „ǧirāḥāt at-taǧmīl“; IIFA-Beschluss Nr. 173 (2007).
- al-ʿIzz b. ʿAbd as-Salām, Qawāʿid al-aḥkām, Bd. 1, S. 96; vgl. auch neuere medizin-ethische Gutachten der IIFA zu psychisch motivierten Korrekturen.
4. Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6, S. 423; al-Ġazālī, Iḥyāʾ ʿulūm ad-dīn, Kitāb Ādāb an-nikāḥ.
Ist es einer muslimischen Frau erlaubt, ihre Vagina nach der Geburt operativ verengen zu lassen?
Die operative Vaginalverengung – auch als „vaginale Rejuvenation“ oder medizinisch als perineale Rekonstruktion bezeichnet – wird nach Schwangerschaften oder Mehrfachgeburten gelegentlich gewünscht, um die ursprüngliche Elastizität und Spannung der Vagina teilweise wiederherzustellen. Islamrechtlich ist ein solcher Eingriff dann zu beurteilen, wenn er nicht aus medizinischer Notwendigkeit erfolgt, sondern primär im Kontext ehelicher Harmonie und sexueller Zufriedenheit motiviert ist.
Zentral ist hier die Frage: Zählt die Wiederherstellung ehelicher Intimität – also das subjektiv empfundene Bedürfnis, dem Ehepartner wieder ein anziehenderes Gefühlserlebnis zu ermöglichen – zu den legitimen Gründen, die einen körperlichen Eingriff am Intimbereich rechtfertigen können?
Die islamische Rechtsmethodik erlaubt Eingriffe am Körper, wenn sie zur Behebung eines Defekts (izālat al-ʿayb) oder zur Wiederherstellung des natürlichen Zustands (iʿāda ilā l-ʿāda) dienen – unabhängig davon, ob der Makel körperlich objektivierbar oder psychisch erlebt wird¹. Zahlreiche klassische und zeitgenössische Gelehrte betonen, dass auch funktionelle oder ästhetische Beeinträchtigungen nach Geburt oder Alterung unter diesen Begriff fallen können – besonders dann, wenn sie das eheliche Leben erheblich beeinträchtigen.
So schreibt etwa al-ʿIzz b. ʿAbd as-Salām, dass die Beseitigung einer Beeinträchtigung zulässig ist, wenn sie zur Wahrung legitimer Interessen dient – hierzu zählt auch die Stabilität der Ehe². Ebenso verweist Ibn Qudāma auf die Erlaubnis einer Nasenrekonstruktion aus Gold bei einem Gefährten, dessen Nase in einer Schlacht abgeschlagen worden war – mit der Begründung, dass die Wiederherstellung des normalen Erscheinungsbilds erlaubt sei³.
Die moderne Fiqh-Literatur – u. a. Beschlüsse des International Islamic Fiqh Academy (IIFA) – bewertet operative Intimeingriffe wie die vaginale Straffung differenziert: Sie gelten als erlaubt, wenn sie einem legitimen Ziel dienen, etwa der Wiederherstellung körperlicher Funktion, der Entlastung der Ehefrau von Scham oder Hemmung oder der Wiederbelebung des ehelichen Sexuallebens⁴. Der ästhetische oder taktile Gewinn für den Ehemann wird dabei als anerkannter, wenngleich nicht allein hinreichender Grund betrachtet – insbesondere, wenn dies zur Vermeidung ehelicher Konflikte beiträgt und im gegenseitigen Einvernehmen geschieht.
Wichtig ist jedoch die Maßhaltung: Wird der Eingriff exzessiv, rein modisch oder mit dem Ziel der Nachahmung westlicher Schönheitsnormen durchgeführt, ohne dass eine reale Belastung vorliegt, wird er von vielen Gelehrten als makrūh oder überflüssig betrachtet – nicht aus Gründen der Verbotstexte, sondern aus dem Ethos der Zurückhaltung⁵.
Auch hier ist zu betonen: Ein eindeutiges Verbot (taḥrīm) lässt sich aus den maßgeblichen Quellen nicht ableiten. Weder der Vers Q 4:119 über die Veränderung der Schöpfung Allāhs noch die ḥadīṯe über kosmetische Eingriffe treffen inhaltlich auf einen maßvollen, medizinisch begleiteten Eingriff zu, der der Wiederherstellung ehelicher Intimität dient. Vielmehr wird damit ein fiqh al-muwāzanāt (Abwägungsdenken) erforderlich, bei dem individuelle Faktoren, Nutzen und Risiken ins Verhältnis gesetzt werden müssen.
Darüber hinaus gelten auch bei der vaginalen Rekonstruktion die bekannten Bedingungen: Der Eingriff soll von einer qualifizierten, wenn möglich gleichgeschlechtlichen Fachkraft durchgeführt werden, die Intimsphäre ist zu wahren, die medizinische Sicherheit muss gewährleistet sein und ein klarer seelischer oder funktionaler Nutzen erkennbar sein.
Fazit:
Die operative Vaginalverengung nach Geburt ist unter islamrechtlichen Gesichtspunkten erlaubt, wenn sie der Wiederherstellung ehelicher Harmonie dient, ein nachvollziehbares seelisches oder partnerschaftliches Bedürfnis vorliegt und der Eingriff sicher, verhältnismäßig und nicht übertrieben ist. In diesem Fall handelt es sich nicht um bloße Eitelkeit, sondern um eine Form der Pflege innerhalb des Rahmens ehelicher Fürsorge (ḥusn al-muʿāšara). Pauschale Verbotsurteile sind in solchen Fällen weder sachgerecht noch quellenfest. Vielmehr empfiehlt sich eine maßvolle und informierte Entscheidungsfindung im Licht der eigenen Lebensrealität – gestützt durch Wissen, Konsultation und ethische Verantwortung.
Endnoten:
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 85; al-Qarāfī, al-Furūq, Bd. 2, S. 33.
- al-ʿIzz b. ʿAbd as-Salām, Qawāʿid al-aḥkām fī maṣāliḥ al-anām, Bd. 1, S. 96.
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, a.a.O.
- International Islamic Fiqh Academy (IIFA), Beschluss Nr. 173 (2007), Abschnitt zu ǧirāḥāt taḥsīnīya.
al-Ġazālī, Iḥyāʾ ʿulūm ad-dīn, Kitāb Ādāb an-nikāḥ; Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6, S. 421. Darf eine Frau im Islam ihre Schamlippen operativ verkleinern oder straffen lassen?
Die islamische Rechtslehre unterscheidet zwischen dem legitimen Beheben eines körperlichen oder seelischen Leidens einerseits und einer rein eitel motivierten Körpermodifikation andererseits. Operative Eingriffe im Intimbereich – insbesondere die Korrektur oder Straffung der Schamlippen (Labien) – werden in diesem Kontext oft vorschnell mit einem pauschalen Verbot belegt, gestützt auf die Aussage des Šayṭān im Qurʾān:
„Und ganz gewiss werde ich ihnen befehlen, die Schöpfung Allāhs zu verändern.“ (Q 4:119)
Doch wie bereits in der Einleitung dargelegt, bezieht sich dieser Vers nach übereinstimmender Auffassung der klassischen Exegeten nicht auf medizinisch oder ästhetisch motivierte Eingriffe, sondern auf schwerwiegende Verstöße gegen die natürliche Ordnung – etwa Verstümmelung, Kastration oder Geschlechtsumwandlung¹. Eine kosmetische Korrektur im Rahmen der gesundheitlichen Vorsorge oder psychischen Entlastung fällt nicht unter dieses Verbot, solange kein spezifischer Beweis vorliegt.
Ebenso wird in einem häufig zitierten ḥadīṯ die Verfluchung derjenigen erwähnt, die aus Gründen bloßer Schönheit Eingriffe an ihrem Körper vornehmen, etwa durch Tätowierungen oder Zahnschleifen². Doch auch hier ist der Kontext entscheidend: Es handelt sich um dauerhafte, auffällige Veränderungen, die mit heidnischer Praxis, gesundheitlicher Schädigung oder gezielter Täuschung verbunden waren. Eine medizinisch verantwortete Labioplastik in Rücksprache mit Fachärztinnen unterliegt anderen Voraussetzungen.
Tatsächlich schweigen sich die vier sunnitischen Rechtsschulen über die spezifische Thematik der Schamlippenkorrektur aus – sie war in vormoderner Zeit medizinisch-technisch nicht bekannt. Doch die allgemeinen Grundsätze lassen sich übertragen: Jede Schule erlaubt operative Eingriffe bei tatsächlichen Defekten oder Schmerzen – verbietet sie aber, wenn es sich um unnötige Verstümmelung oder bloße Nachahmung fremder Ideale handelt³.
Ein zentraler Beleg in der islamischen Argumentation ist der bekannte Fall des Gefährten Arfaǧa, dem nach einer Verletzung eine künstliche Nase aus Gold erlaubt wurde⁴. Gelehrte wie Ibn Qudāma ziehen daraus den allgemeinen Rechtsgrundsatz: Die Beseitigung eines realen Schadens – körperlich oder seelisch – ist erlaubt. Psychische Belastungen, etwa durch Scham, Ehekonflikte oder Minderwertigkeitsgefühle, können diesen Maßstab mitbegründen, sofern sie ernsthaft und nachvollziehbar sind.
Moderne Rechtsgremien wie der Internationale Fiqh-Rat (IIFA) bekräftigen dies ausdrücklich. In seinem Beschluss Nr. 173 (2007) unterscheidet der Rat zwischen notwendigen, medizinisch oder psychologisch motivierten Eingriffen (ǧirāḥāt ḍarūrīya) – die erlaubt sind – und bloßen Verschönerungswünschen (ǧirāḥāt taḥsīnīya), die abzulehnen sind⁵. Eine Frau, die unter deutlich vergrößerten oder asymmetrischen Labien leidet, etwa durch Reibung, Schmerzen beim Verkehr, häufige Entzündungen oder gestörte Intimität, fällt demnach unter den ersten Bereich. Auch nach Geburten auftretende Veränderungen, die die eheliche Harmonie beeinträchtigen, gelten in vielen Fatwas als zulässiger Anlass für operative Maßnahmen, sofern kein Exzess vorliegt⁶.
Problematisch wird es jedoch, wenn bei völlig gesunder und anatomisch normaler Beschaffenheit aus reinem Wunsch nach einem „ästhetischeren“ Intimbild eine Operation durchgeführt werden soll. Viele fatāwā lehnen dies ab – nicht weil der Islam gegen Schönheit oder Pflege sei, sondern weil in solchen Fällen kein realer Bedarf vorliegt und es an einem rechtfertigenden Anlass fehlt. Die Interpretation einiger Rechtsgelehrten schreibt taḥsīn ġayr maḥmūd – also nutzlose oder übertriebene Verschönerung – keinen positiven moralischen Wert zu. Doch: Auch in diesen Fällen ist kein qaṭʿī-Verbot (eindeutiges) gegeben. Eine kategorische Einstufung als ḥarām ist nur zulässig, wenn ein eindeutiger Textbeweis oder klarer Schaden vorliegt. Daher lässt sich einem ästhetisch motivierten Eingriff keine autoritative Untersagung entgegenhalten, solange er weder gesundheitlichen Schaden verursacht noch ein konkretes Risiko darstellt. Dennoch bleibt jeder Eingriff in einen gesunden Organismus ein ernstzunehmender ethischer Abwägungsfall.
Hinzu kommt die Pflicht zur Wahrung der Intimsphäre (ʿawra). Eingriffe im Genitalbereich sind nur zulässig, wenn medizinisch begründet und von einer kompetenten Fachperson – idealerweise einer Ärztin – durchgeführt. Eine nicht gerechtfertigte Operation verletzt die Gebotslage zum Scham-Schutz ebenso wie das allgemeine Verbot, Schaden zu verursachen oder zuzulassen. Der Prophet ﷺ sagte: „Es soll kein Schaden zugefügt werden – weder sich selbst noch anderen.“⁷
Fazit:
Eine Labioplastik ist islamisch erlaubt, wenn sie medizinisch notwendig oder psychisch klar indiziert ist – etwa bei körperlicher Belastung, Schmerzen, deutlich auffälliger Anatomie oder ehelicher Beeinträchtigung. In diesen Fällen handelt es sich um eine Maßnahme der Behandlung (ʿilāǧ), nicht bloß der Verschönerung. Wenn jedoch keine objektive Belastung, sondern lediglich ein Wunsch nach Optimierung vorliegt, sollte Zurückhaltung geübt werden. Das bloße Streben nach gesellschaftlich geprägten Intimidealen ist kein hinreichender Grund für eine Operation – doch es begründet auch kein eindeutiges Verbot. Wer über einen Eingriff nachdenkt, sollte Rat bei kompetenten Fachleuten einholen.
Endnoten:
- Aṭ-Ṭabarī, Ǧāmiʿ al-bayān, zu Q 4:119; Ibn ʿAšūr, at-Taḥrīr wa-t-Tanwīr, Bd. 5, S. 160.
- Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 5931; Muslim, Nr. 2125 – Hadīṯ über al-mutafalliǧāt li-l-ḥusn.
- Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6, S. 421–423.
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 85.
- International Islamic Fiqh Academy (IIFA), Beschluss Nr. 173 (2007), Tagung in Jordanien.
- Europäischer Fatwa-Rat, Erklärung zur Genitalästhetik, 2010.
Ibn Māǧa, Sunan, Nr. 2340: lā ḍarar wa-lā ḍirār. Ist es im Islam einem Mann erlaubt, Haarteile oder Perücken zu tragen, um Haarausfall zu verbergen?
Im Fall männlicher Haarersatzmaßnahmen gelten grundsätzlich die gleichen ethischen Maßstäbe wie bei Frauen: Entscheidend ist nicht allein das äußere Mittel, sondern der innere Zweck – also ob Täuschung, Nachahmung verbotener Praktiken oder eine legitime Wiederherstellung von Würde und Normalität intendiert ist.
Der prophetische ḥadīṯ über das Verbot des wasl – also das Anfügen fremder Haare – wurde nicht geschlechtsspezifisch überliefert:
„Allāh verflucht diejenige, die Haar anfügt, und diejenige, die es sich anfügen lässt.“¹
Dieser Fluch bezieht sich laut den klassischen Kommentatoren auf das absichtsvolle Verbinden fremder Haare zur Täuschung und nicht auf jede Form des Haarersatzes. Bei Männern stellt sich die Frage: Ist das Tragen einer Perücke oder eines Haarteils eine betrügerische Verfälschung des Selbstbildes – oder eine sozial nachvollziehbare Maßnahme zur Wiederherstellung eines als entstellend empfundenen Defizits?
Klassische Gelehrte wie Ibn Qudāma und spätere Autoren wie Ibn ʿĀbidīn akzeptieren Behandlungen oder Eingriffe, die einen Defekt beheben – darunter fällt auch frühzeitige Glatzenbildung (ṣulaʿ), wenn sie zu seelischem Leid oder gesellschaftlicher Scham führt.² Im Unterschied zur Frau liegt beim Mann jedoch oft eine stärkere kulturelle Toleranz für Haarverlust vor, was die Notwendigkeit zur Korrektur in Einzelfällen mindern kann – nicht aber muss.
Auch moderne Fatwā-Gremien stimmen darin überein, dass:
- Perücken aus menschlichem Haar zu vermeiden sind – sowohl aus Gründen der Körperwürde (ḥurma) als auch wegen des Verbots der Nutzung menschlicher Körperteile³.
- Synthetische Haarteile, die nur aufgelegt und nicht dauerhaft verbunden werden, in Fällen psychischer Belastung oder zur Vermeidung sozialer Scham erlaubt sind – solange sie nicht zur gezielten Täuschung bei Heirat oder Amt führen⁴.
- Transplantationen aus körpereigenem Haar (z. B. Hinterkopf → Stirn) grundsätzlich erlaubt sind, da sie keine fremde Substanz einfügen, sondern nur vorhandenes Haar umverteilen.⁵
Die islamische Ethik erlaubt dem Mann durchaus, sich im Rahmen seiner Würde zu pflegen und ein gepflegtes Erscheinungsbild zu zeigen – dies belegt auch die Sunna des Propheten ﷺ zur Bartpflege, Haarölung und äußerlichen Zierde. Was jedoch nicht erlaubt ist, ist das Verstellen der Realität mit betrügerischer Absicht oder das Anpassen an dekadente oder entwürdigende Schönheitsideale.
Fazit:
Ein Mann darf Haarteile oder Perücken tragen, wenn er unter starkem Haarausfall leidet, dies als psychisch belastend empfindet und keine betrügerische Täuschung beabsichtigt. Synthetische Haarteile sind in solchen Fällen erlaubt. Das Verwenden menschlicher Haare bleibt untersagt. Eine klare Täuschungsabsicht – etwa bei Heiratsanbahnung – ist ebenfalls unzulässig. Haartransplantationen aus eigenem Gewebe stellen islamrechtlich kein Problem dar, solange der Eingriff sicher und maßvoll erfolgt. Wie bei allen körperbezogenen Fragen gilt auch hier: Nicht das äußere Mittel entscheidet, sondern die Absicht (niyya), die Wirkung (taʾṯīr) und der sittliche Maßstab (mīzān).
Endnoten:
- Muslim, Ṣaḥīḥ, Nr. 2122; al-Buḫārī, Ṣaḥīḥ, Nr. 5937.
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 85; Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6, S. 428.
- Mālik, zitiert bei al-Qurṭubī, Tafsīr, zu Q 4:119; Diskussion über die ḥurma menschlicher Körperteile.
- Europäischer Fatwa-Rat, Erklärung zur Zulässigkeit von Perücken bei medizinischem Haarausfall, 2011.
- International Islamic Fiqh Academy (IIFA), Beschluss zu Haartransplantation, 2007.
Ist es einer Frau islamrechtlich erlaubt, Haarverlängerungen oder Perücken zu tragen?
Ist es einer Frau islamrechtlich erlaubt, Haarverlängerungen oder Perücken zu tragen – sei es zur Verschönerung, zum Verdecken von Haarausfall oder zur Kaschierung von Alterserscheinungen? Das Tragen von künstlichen Haarteilen – sei es als fest eingearbeitete Verlängerung (wasl) oder als abnehmbare Perücke – wird in der klassischen Literatur differenziert behandelt. Maßgeblich für die juristische Beurteilung ist dabei die Frage, ob es sich um eine Täuschung (taḡrīr), eine Veränderung der Schöpfung Allāhs (taġyīr ḫalq Allāh) oder um eine erlaubte Form der Pflege und Zierde handelt (ziyna, ʿilāǧ).
Der Prophet ﷺ äußerte sich deutlich zur Verbindung fremder Haare mit dem eigenen:
„Allāh verflucht diejenige, die Haar anfügt, und diejenige, die es sich anfügen lässt.“¹
Dieser ḥadīṯ wird in verschiedenen Fassungen von al-Buḫārī, Muslim und anderen überliefert und stellt eine klare Ablehnung des wasl dar – also der dauerhaften Verbindung echten oder künstlichen Haares mit dem eigenen Haar.
Die klassische Kommentarliteratur erklärt den Hintergrund dieser Aussage: In vorislamischer Zeit war es üblich, sich zur Täuschung fremdes Haar einarbeiten zu lassen, etwa um jünger oder attraktiver zu erscheinen – insbesondere im Kontext von Heiratsabsichten. Ibn Ḥaǧar und an-Nawawī betonen, dass das Verbot sich speziell auf diese Form der absichtlichen Irreführung bezieht, nicht jedoch auf medizinische oder psychisch notwendige Maßnahmen.²
Dementsprechend gilt:
- Das feste Einarbeiten von Haarteilen zur Täuschung (z. B. bei Heiratsanbahnung) oder aus eitler Überhöhung wird von allen vier Rechtsschulen als verboten (ḥarām) bewertet.
- Das Tragen von Perücken zur Kaschierung von Haarverlust, etwa bei krankheitsbedingter Alopezie, wird von vielen Gelehrten als erlaubt (ǧāʾiz) eingestuft – sofern dabei keine verbotene Täuschung oder Imitation des anderen Geschlechts vorliegt.³
- Wenn es sich bei der Verlängerung um menschliches Haar handelt, ist der Konsens besonders strikt: Dieses sei zu vermeiden, da das Haar als ehrwürdiger Teil des Körpers gilt und nicht „benutzt“ werden darf.⁴
Ein weiteres zentrales Kriterium ist, ob die Haarteile dauerhaft angebracht sind oder lediglich vorübergehend (wie z. B. Perücken). Temporäre, nicht täuschende kosmetische Hilfsmittel, die im Ehekontext getragen werden, sind unter bestimmten Umständen zulässig – insbesondere wenn sie das Selbstbild der Frau stabilisieren oder das eheliche Zusammenleben fördern.
Auch moderne Fatwā-Gremien wie der Europäische Fatwa-Rat oder das Islamic Fiqh Council der Rabita erkennen diese Differenzierung an. Für Frauen, die unter krankhaftem Haarausfall leiden oder nach einer Chemotherapie Haarverlust erlitten haben, wird das Tragen einer Perücke als eine Form legitimer Behandlung (ʿilāǧ) angesehen⁵.
Die islamische Ethik verbietet keine Verschönerung an sich – vielmehr geht es um die Frage, ob mit einem Mittel Täuschung, Hochmut oder eine unnatürliche Imitation verbunden ist. Wird Haarverlust z. B. mit hochwertigen synthetischen Mitteln kaschiert, um sich würdevoll zu zeigen, liegt kein klarer Grund für ein Verbot vor. Entscheidend ist, ob der Eingriff ehrlich, verhältnismäßig und zweckdienlich geschieht.
Fazit:
Haarverlängerungen und Perücken sind verboten, wenn sie zur Täuschung verwendet werden oder aus übertriebener Eitelkeit erfolgen – insbesondere bei Verwendung echten menschlichen Haares. In medizinisch oder psychologisch begründeten Fällen, etwa bei Haarverlust, dürfen jedoch synthetische Perücken getragen werden, wenn dadurch kein Täuschungseffekt erzielt wird. Innerhalb der Ehe, zur Förderung von Intimität und Würde, ist unter bestimmten Bedingungen auch eine kosmetische Nutzung vertretbar. Pauschale Verbotsurteile ohne Kontextualisierung greifen zu kurz und widersprechen dem differenzierten Geist des islamischen Rechts.
Endnoten:
- al-Buḫārī, Ṣaḥīḥ, Nr. 5937; Muslim, Ṣaḥīḥ, Nr. 2122.
- Ibn Ḥaǧar, Fatḥ al-bārī, Bd. 10, S. 377; an-Nawawī, Šarḥ Muslim, zu 2122.
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 86; Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6, S. 428.
- Mālik, zitiert bei al-Qurṭubī, Tafsīr, zu Q 4:119; Diskussion über Haar als ehrwürdiger Körperteil (ʿiḍw muḥtaram).
- Europäischer Fatwa-Rat, 2011: Entscheidung zur Zulässigkeit von Perücken nach medizinischem Haarverlust.
Ist das Färben der Haare im Islam erlaubt?
Ist es islamrechtlich erlaubt, die Haare zu färben – etwa zur Kaschierung grauer Stellen oder aus kosmetischen Gründen? Das Färben der Haare ist im islamischen Recht grundsätzlich erlaubt (mubāḥ) und kann unter bestimmten Umständen sogar empfohlen (mustaḥabb) sein – insbesondere, wenn es dem Zweck dient, altersbedingtes Ergrauen zu kaschieren, eheliche Attraktivität zu bewahren oder sich dem äußeren Erscheinungsbild zu widmen. In einem bekannten ḥadīṯ forderte der Prophet ﷺ seine Gefährten auf, sich in diesem Punkt von Juden und Christen zu unterscheiden:
„Die Juden und Christen färben ihre Haare nicht – unterscheidet euch daher von ihnen.“¹ Diese Aussage wurde von vielen Gelehrten als Ermunterung verstanden, insbesondere ältere Männer dazu zu motivieren, ihre Haare mit natürlichen Färbemitteln wie ḥinnāʾ (Henna) oder katam zu behandeln. Als jedoch der Vater Abū Bakrs mit ganz weißem Haar erschien, sagte der Prophet ﷺ: „Ändert dieses weiße Haar, aber meidet die schwarze Farbe.“²
Diese Warnung betrifft nicht das Färben mit Schwarz an sich, sondern das kontextbezogene Schwarzfärben zur Täuschung – etwa im Rahmen von Heiratsanbahnungen oder um Jugendlichkeit vorzutäuschen, wo sie objektiv nicht mehr besteht. Darin sahen viele Gelehrte den Aspekt des taḡrīr (Täuschung) – ein entscheidendes Kriterium für die Bewertung.
Die klassischen Rechtsschulen differenzieren wie folgt:
- Das Färben mit Naturtönen (rot, dunkelbraun, mahagonifarben) ist erlaubt und z. T. empfohlen.³
- Die Schwarzfärbung wurde im šāfiʿītischen Recht überwiegend als verboten (ḥarām) gewertet, besonders bei älteren Männern.⁴
- Die ḥanafītische, mālikītische und ḥanbalītische Schule neigten zur Einstufung als makrūh, also missbilligt, aber nicht streng verboten – sofern keine Täuschung erfolgt.⁵
Diese Differenz ergibt sich nicht aus einem Unterschied im Quellenverständnis, sondern aus der Frage nach der Absicht und der Wirkung. Das Ziel islamischer Ethik ist es nicht, äußere Verschönerung zu unterbinden, sondern sittliche Maßstäbe im Umgang mit dem eigenen Erscheinungsbild zu wahren. Schwarz als Farbe ist nicht problematisch – problematisch wird sie, wenn sie zur Täuschung oder Selbstdarstellung gegen die Wirklichkeit verwendet wird.
Zugleich berichten frühe Quellen von bedeutenden Ṣaḥāba wie Saʿd b. Abī Waqqāṣ oder al-Ḥasan und al-Ḥusayn, dass sie ihre Haare schwarz färbten⁶ – ohne Verurteilung. Im ḥanbalītischen Werk al-Mughnī wird berichtet, dass Isḥāq b. Rāhūyah das Schwarzfärben einer Frau ausdrücklich erlaubte, wenn es zur Zierde für den Ehemann diene⁷. Auch al-Ḥalīmī (šāfiʿītisch) unterschied zwischen Männern und Frauen und hielt Schwarzfärben für Frauen in der Ehe für unbedenklich⁸.
Die oft zitierte Warnung, dass am Ende der Zeiten Menschen „ihre Haare schwarz färben wie die Kropffedern der Tauben“ und „den Duft des Paradieses nicht riechen werden“⁹, bezieht sich nach Meinung vieler Muḥaddiṯūn auf gezielte Täuschung mit betrügerischer Absicht – nicht auf kosmetische Pflege oder eheliche Verschönerung.
Fazit:
Das Färben der Haare – auch aus modischen Gründen – ist islamisch erlaubt, sofern keine bösartige Täuschung beabsichtigt ist, keine gesundheitsschädlichen Stoffe verwendet werden und die Absicht ethisch vertretbar ist. Reines Schwarz ist nach Mehrheitsmeinung makrūh bei älteren Männern, wenn es der bewussten Vortäuschung von Jugend dient. Entfällt jedoch der Täuschungscharakter – etwa bei vorzeitig ergrautem Haar oder bei Frauen zur Zierde innerhalb der Ehe – besteht nach klassischen wie modernen Fatāwā Spielraum zur Erlaubnis. Ein striktes Verbot ist rechtlich nicht haltbar, solange keine klaren Anhaltspunkte für Schädigung oder Täuschung vorliegen.
Endnoten:
- Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Nr. 3462.
- Muslim, Ṣaḥīḥ, Nr. 2102.
- al-Qurṭubī, al-Ǧāmiʿ li-aḥkām al-Qurʾān, zu Q 4:119; an-Nawawī, Šarḥ Muslim.
- Ibn Ḥaǧar, Fatḥ al-bārī, Bd. 10, S. 355.
- Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6, S. 422; al-Māwardī, al-Ḥāwī, Bd. 2, S. 398.
- Abū Dāwūd, Sunan, Nr. 4212; berichtete Traditionen über Saʿd, al-Ḥasan und al-Ḥusayn.
- Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1.
- al-Ḥalīmī, zitiert in an-Nawawī, al-Maǧmūʿ, Bd. 1.
Abū Dāwūd, Sunan, Nr. 4212 (ḥadīṯ ġarīb, aber inhaltlich kontextbezogen interpretiert).