Sexualkunde im Rahmen des Unterrichts an öffentlichen Schulen greift aus Sicht des Islamischen Zentralrates zu tief in die erzieherische Kompetenz der Eltern ein. Die Entscheidung wann und wie Kinder ans Thema Sexualität herangeführt werden, muss auch in Zukunft den Eltern obliegen.
Seit geraumer Zeit setzt sich in verschiedenen kantonalen Lehrplänen das Fach «Sexualkunde» durch. Dabei handelt es sich um Unterrichtsstunden in sogenannter sexueller Aufklärung, wobei Schülerinnen und Schüler in gemischt-geschlechtlichen Klassen nicht alleine über die biologische Sexualität des Menschen, sondern zunehmend auch über konkrete Praktiken aktiv «aufgeklärt» werden. Wie der «Sonntags-Blick» vom 22. Mai 2011 recherchiert hat, hält an einigen Schweizer Schulen gar eine «offensive Sexualaufklärung» Einzug. Demnach seien in Basel-Stadt sogenannte Sex-Koffer an dreissig Schulen und Kindergärten verteilt worden, deren Inhalt äusserst fragwüdige Utensilien enthalte: Filmmaterial zur Aufklärung, Holzpenisse in allen erdenklichen Längen und Dicken sowie eine künstliche Vagina. Dem zuständigen Korrektor für den Kindergarten geht es allerdings nicht nur um Vorführung. Wichtig erscheint ihm das Stichwort Lust. Die Kindergärtler sollen «erkennen, dass Berührungen an Körperstellen lustvoll sein können». Diese praktische Anweisung ziele u.a auch darauf ab, den Kindern das Nein-Sagen bei sexuellen Kontakten beizubringen.
Andere Beispiele gehen noch weiter über den Basler Koffer hinaus. In St. Gallen und Appenzell kommt der sogenannte «Sex-Teppich» zum Einsatz. Offensichtliches Ziel ist es dabei Begriffe wie «ficken», «bumsen» und «knallen» in den aktiven Wortschatz der Zöglinge einzuführen.
Bekannt ist auch, dass sexueller Verkehr zwischen Paaren gleichen Geschlechts als völlig normale Option neben das klassische Familienmodell von Mann und Frau gestellt wird. Perversen Sexualpraktiken wird bereits im Schulalter aktiv die Aufwertung gemacht.
Sexuelle Aufklärung ist Sache der Eltern
Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) lehnt diese Form der kollektiven Zwangssexualisierung an öffentlichen Schulen ab. Ob, wie, in welchem Ausmass und wann Kinder mit ihrer natürlichen Sexualität konfrontiert werden sollen, ist klar Sache der Eltern. Je nach religiöser Praxis oder weltanschaulicher Überzeugung spielt Sexualität stark in den Bereich der Moral hinein. Moral kann und darf nicht von Erziehungsdirektoren diktiert werden.
Muslime haben an sich kein verkrampftes Verhältnis zur Sexualität – so lange sie innerhalb der Grenzen ihrer Normativität praktiziert wird. Der Islamische Zentralrat spricht sich auch für Muslime nicht grundsätzlich gegen häusliche Sexualaufklärung aus, solange sie sich innerhalb des islamischen Moralkomplexes bewegt.
Sex in der islamischen Ethik
Sex innerhalb der Ehe zwischen Mann und Frau ist im Islam anders als in der biblischen Tradition nichts, wofür man sich schämen müsste. Der Qur’an kennt keine Figur wie den biblischen Paulus, die sich aus Gründen der rituellen Reinheit grundsätzlich gegen das Konnubium ausgesprochen hätte. Vielmehr wird die Ehe im Islam als vorzüglich und tugendhaft dringend empfohlen. Früh zu heiraten gilt in den prophetischen Traditionen (Ahadith) als natürliches Bollwerk gegen Verführung und Unzucht.
Hinsichtlich der ehelichen Sexualität öffnet der Qur’an die Schranken weitgehend. In ungefährer Übersetzung aus dem Arabischen heisst es in Sure al- Baqara, 223:
«Eure Frauen sind ein Saatfeld für euch; darum bestellt euer Saatfeld wie ihr wollt. Doch schickt (Gutes) für eure Seelen voraus. Und fürchtet Allah und wisset, daß ihr Ihm begegnen werdet. Und verheiße den Gläubigen die frohe Botschaft»
Per Konsensum der Gelehrten wird dieser allgemein permissiv gelesene Vers einzig durch eine Prophetentradition eingeschränkt, die den Analverkehr auch zwischen Mann und Frau explizit verbietet sowie durch den qur’anischen Grundsatz, dass während der Menstruation sexuelle Handlungen untersagt sind.
Sexualkunde an Schulen soll freiwillig sein
Der Islamische Zentralrat respektiert andere Überzeugungen und anerkennt den Wunsch jener Eltern, die ihre Kinder im Rahmen eines offensiven Aufklräungsunterrichts an der Schule erzogen haben wollen. Er verlangt jedoch im Gegenzug auch, dass die religiös-moralischen Bedenken muslimischer Eltern ernst genommen werden und schlägt daher vor, dass der Besuch des Sexualkundeunterrichts auf freiwilliger Basis stattfinden soll. Schliesslich soll auch an den Wert einer kohärenten, möglichst konfliktfreien Kindeserziehung erinnert werden. Kinder, die einer ständigen Konfliktsituation zwischen schulischer und einer häuslicher Moralvorstellungen aufwachsen, dürften es nicht einfacher haben, eine individuelle, selbstsichere Persönlichkeit zu entwickeln.
Bern,18.06.2011 / 17. Rajab 1432