Bern/Prizren, 01.05.2010

Von Oscar A.M. Bergamin

Oscar_Bergamin_IZRS„Religiöser Fundamentalismus anerkennt die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung nicht“, schreibt der CVP-Vorstand im Positionspapier „Religionsfreiheit und Integration“ vom 28. April 2006. Dann hat sich Christophe Darbellay, Parteipräsident der CVP Schweiz wohl innerhalb von wenigen Monaten ein weiteres Mal „zuwenig differenziert ausführen können“ (Zitat Darbellay vom 4. Dezember 2009), wenn er gegenüber der Zeitung „Sonntag“ sagt, man würde IZRS-Präsident Nicolas Blancho gar ausweisen, wäre er kein Schweizer. „Meine Äusserungen waren persönlicher Art“, sagte der CVP-Präsident im Dezember als er sich gegen „Sonderwünsche verschiedener religiöser Gemeinschaften in der Friedhofsfrage“ aussprach und wegen der Empörung bei der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz schnell zurückkrebste. Nun, Herr Darbellay, der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) bekennt sich ausdrücklich zur schweizerischen Rechtsordnung. In den Statuten wie auch auf der Webseite des IZRS wird dies explizit festgehalten und IZRS-Präsident Nicolas Blancho hat dies auch in jedem Interview, sei es in einer Zeitung, im Radio oder im Fernsehen, stets betont. Und auf die immer wieder zurückkehrende absurde „Steinigungs-Diskussion“ sagte Blancho deutlich: „Auch wenn man es uns zugestehen würde: Steinigung hat hier keinen Platz!“. Und bis jetzt hat der IZRS weder verbal, noch non-verbal irgendetwas anderes kommuniziert. Ja besser noch; niemand in der Schweiz ist vom IZRS kritisiert oder angegriffen worden. Niemand! Daher kann auch von einem „Hassprediger“ Blancho keine Rede sein. Wo hat er Hass gepredigt? Woher diese panische Angst vor einem Mann, der nichts anderes sagt, als Darbellays Pfarrer in der Kirche: „Gloria in excelsis Deo, et in terra pax hominibus bonae voluntatis“ – Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade… oder wie heisst es in der evangelischen Kirche? „Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade,…“ Wir Muslime sagen, „Lob sei Gott, dem Herrn der Welten“(Al hamdul li-llahi rabbi l-‚ālamīn). Macht Darbellay Blanchos Bart Angst? Keine Sorge, Nicolas Blancho wird nicht am 25. Internationalen Alpenbarttreffen vom August teilnehmen. Und da sind wir wieder beim Thema: Alpenbart und Schweizer, oder muslimisch gestutzter Bart und Schweizer. Da war Darbellay in der Tat wieder mal „zuwenig differenziert“, denn wenn Äusserlichkeiten für Verwirrung sorgen, sollte er das CVP-Papier in die Hand nehmen, bevor er voreilig zu etwas Stellung nimmt.

„Die muslimischen Gemeinschaften sind in Europa und unserem Land nicht nur Zaungast. Sie sind gesellschaftliche Realität und haben eine besondere Rolle zu erfüllen. Die Musliminnen und Muslime der Schweiz und Europas können zu überzeugenden Träger einer klaren Botschaft für die islamische Welt werden: Modernität und Islam sind nicht Gegensätze. Sie sind miteinander vereinbar und können bereichernd und zukunftsweisend wirken“, heisst es in diesem Pamphlet.

Die Verwendung einer alarmierenden Rhetorik, um Ängste vor dem Verlust der nationalen Identität zu benutzen, erlaubte den „rechtsextremen Parteiführern der SVP“ (Zitat BBC) die Verwendung sehr symbolischer Fragen. Aber die populistische Rechte hat kein Monopol mehr auf das Bild vom „Zusammenstoss der Kulturen in Europa“. Auch konservative Parteien springen auf den anti-muslimischen Zug, um Kapital aus den untergründigen nationalen Identitätsdebatten zu schlagen, wie offenbar die CVP und auch die FDP, die jetzt auch Lauschangriffe gegen Muslime verlangt. Gelegentlich schliessen sich ihnen auch linke Politiker an, die unter dem Banner „liberale Werte“ oder „Rechte der Frau“ segeln. Politiker des mehrheitsfähigen Spektrums berufen sich oft auf die „Aufklärung“, um vermeintliche Eigenschaften des Islam zu stigmatisieren. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise benötigen die Parteien aber offenbar  Ablenkungsmanöver, um von den wahren Ursachen für Sozialabbau und Manager-Boni-Diskussionen abzulenken. Aus Klassenfragen werden Religionsfragen die bis jetzt niemand gestellt hat.

CVP: Wer anderen Menschen verbieten will, was ihm selber in der Ausübung seiner Religion wichtig ist, zeigt Schwäche…

„Ein neuerlicher Kulturkampf schafft Ausgrenzung, Hass und Unsicherheit…Der Kulturkampf gehört der Vergangenheit an, denn heute mehr denn je stehen die Integration und der gegenseitige Respekt der Gläubigen im Vordergrund. Wer in seiner Identität, in seiner kulturellen und religiösen Identität verwurzelt ist, hat keinen Grund zur Angst, zur Unsicherheit und braucht nicht zu Verboten zu greifen. Wer anderen Menschen verbieten will, was ihm selber in der Ausübung seiner Religion wichtig ist, zeigt Schwäche… steht in einem anderen CVP-Papier (4. Juni 2007) und: „Wir wollen Imame und Prediger, die eine unserer Landesprache sprechen und mit dem schweizerischen Staats- und Rechtssystem vertraut sind“. Genau das Gleiche fordert der IZRS auch, aber auf den will Herr Darbellay nicht hören. Er macht lieber auf Mainstream statt das Gespräch mit dem IZRS zu suchen. „Ohne eine solche Debatte besteht die Gefahr, dass die ‚lauten‘, marktschreierischen und auch extremen Ansichten das Thema dominieren.“(CVP, 28. April 2006). Nun hat die CVP, kurz nachdem ihre Delegierten ein ganzes Wochenende lang über die Bedeutung des eigenen „C“ im Parteinamen diskutiert haben, mit einem „lauten, marktschreierischen“ Präsidenten den Bogen wohl ein bisschen überspannt. Davon profitieren vor allem Rechtsextreme und Nationalisten, die ihre rassistischen Ideologien durch die gesellschaftliche Mitte legitimiert sehen.

Absicherung der Identität nach innen, für eine verunsicherte CVP-Mittelschicht?

Dass, das Feindbild Islam zu einer bürgerlichen Ideologie wird, ist höchst gefährlich, wie die Geschichte – mit der man ja nie was zu tun haben will – zeigt. Sie dient zur Absicherung der Identität nach innen, für eine verunsicherte CVP-Mittelschicht, die die Folgen der Globalisierung am stärksten zu spüren bekommt. Vor einigen Tagen schrieb in Deutschland die Neue Rheinische Zeitung „Betrachtet man die Jahrzehnte vor der nationalsozialistischen Diktatur, trifft man auf erschreckende Parallelen zwischen bürgerlichen Debatten damals und heute. Die Themen waren häufig dieselben: die Frage nach Assimilation und Integration, der Vorwurf – damals an die Juden, heute in Richtung Muslime -, sich zu segregieren, also Parallelgesellschaften zu bilden“. Eine gefährliche Debatte wenn man sie „zuwenig differenziert“ ausführt, wie der Herr Darbellay.

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Veröffentlicht am: 1. Mai 2010
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