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FAQ

Ist es einer muslimischen Frau erlaubt, ihre Vagina nach der Geburt operativ verengen zu lassen?

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23.06.2025

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Die operative Vaginalverengung – auch als „vaginale Rejuvenation“ oder medizinisch als perineale Rekonstruktion bezeichnet – wird nach Schwangerschaften oder Mehrfachgeburten gelegentlich gewünscht, um die ursprüngliche Elastizität und Spannung der Vagina teilweise wiederherzustellen. Islamrechtlich ist ein solcher Eingriff dann zu beurteilen, wenn er nicht aus medizinischer Notwendigkeit erfolgt, sondern primär im Kontext ehelicher Harmonie und sexueller Zufriedenheit motiviert ist.

Zentral ist hier die Frage: Zählt die Wiederherstellung ehelicher Intimität – also das subjektiv empfundene Bedürfnis, dem Ehepartner wieder ein anziehenderes Gefühlserlebnis zu ermöglichen – zu den legitimen Gründen, die einen körperlichen Eingriff am Intimbereich rechtfertigen können?

Die islamische Rechtsmethodik erlaubt Eingriffe am Körper, wenn sie zur Behebung eines Defekts (izālat al-ʿayb) oder zur Wiederherstellung des natürlichen Zustands (iʿāda ilā l-ʿāda) dienen – unabhängig davon, ob der Makel körperlich objektivierbar oder psychisch erlebt wird¹. Zahlreiche klassische und zeitgenössische Gelehrte betonen, dass auch funktionelle oder ästhetische Beeinträchtigungen nach Geburt oder Alterung unter diesen Begriff fallen können – besonders dann, wenn sie das eheliche Leben erheblich beeinträchtigen.

So schreibt etwa al-ʿIzz b. ʿAbd as-Salām, dass die Beseitigung einer Beeinträchtigung zulässig ist, wenn sie zur Wahrung legitimer Interessen dient – hierzu zählt auch die Stabilität der Ehe². Ebenso verweist Ibn Qudāma auf die Erlaubnis einer Nasenrekonstruktion aus Gold bei einem Gefährten, dessen Nase in einer Schlacht abgeschlagen worden war – mit der Begründung, dass die Wiederherstellung des normalen Erscheinungsbilds erlaubt sei³.

Die moderne Fiqh-Literatur – u. a. Beschlüsse des International Islamic Fiqh Academy (IIFA) – bewertet operative Intimeingriffe wie die vaginale Straffung differenziert: Sie gelten als erlaubt, wenn sie einem legitimen Ziel dienen, etwa der Wiederherstellung körperlicher Funktion, der Entlastung der Ehefrau von Scham oder Hemmung oder der Wiederbelebung des ehelichen Sexuallebens⁴. Der ästhetische oder taktile Gewinn für den Ehemann wird dabei als anerkannter, wenngleich nicht allein hinreichender Grund betrachtet – insbesondere, wenn dies zur Vermeidung ehelicher Konflikte beiträgt und im gegenseitigen Einvernehmen geschieht.

Wichtig ist jedoch die Maßhaltung: Wird der Eingriff exzessiv, rein modisch oder mit dem Ziel der Nachahmung westlicher Schönheitsnormen durchgeführt, ohne dass eine reale Belastung vorliegt, wird er von vielen Gelehrten als makrūh oder überflüssig betrachtet – nicht aus Gründen der Verbotstexte, sondern aus dem Ethos der Zurückhaltung⁵.

Auch hier ist zu betonen: Ein eindeutiges Verbot (taḥrīm) lässt sich aus den maßgeblichen Quellen nicht ableiten. Weder der Vers Q 4:119 über die Veränderung der Schöpfung Allāhs noch die ḥadīṯe über kosmetische Eingriffe treffen inhaltlich auf einen maßvollen, medizinisch begleiteten Eingriff zu, der der Wiederherstellung ehelicher Intimität dient. Vielmehr wird damit ein fiqh al-muwāzanāt (Abwägungsdenken) erforderlich, bei dem individuelle Faktoren, Nutzen und Risiken ins Verhältnis gesetzt werden müssen.

Darüber hinaus gelten auch bei der vaginalen Rekonstruktion die bekannten Bedingungen: Der Eingriff soll von einer qualifizierten, wenn möglich gleichgeschlechtlichen Fachkraft durchgeführt werden, die Intimsphäre ist zu wahren, die medizinische Sicherheit muss gewährleistet sein und ein klarer seelischer oder funktionaler Nutzen erkennbar sein.

Fazit:
Die operative Vaginalverengung nach Geburt ist unter islamrechtlichen Gesichtspunkten erlaubt, wenn sie der Wiederherstellung ehelicher Harmonie dient, ein nachvollziehbares seelisches oder partnerschaftliches Bedürfnis vorliegt und der Eingriff sicher, verhältnismäßig und nicht übertrieben ist. In diesem Fall handelt es sich nicht um bloße Eitelkeit, sondern um eine Form der Pflege innerhalb des Rahmens ehelicher Fürsorge (ḥusn al-muʿāšara). Pauschale Verbotsurteile sind in solchen Fällen weder sachgerecht noch quellenfest. Vielmehr empfiehlt sich eine maßvolle und informierte Entscheidungsfindung im Licht der eigenen Lebensrealität – gestützt durch Wissen, Konsultation und ethische Verantwortung.

Endnoten:

  1. Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 85; al-Qarāfī, al-Furūq, Bd. 2, S. 33.
  2. al-ʿIzz b. ʿAbd as-Salām, Qawāʿid al-aḥkām fī maṣāliḥ al-anām, Bd. 1, S. 96.
  3. Ibn Qudāma, al-Mughnī, a.a.O.
  4. International Islamic Fiqh Academy (IIFA), Beschluss Nr. 173 (2007), Abschnitt zu ǧirāḥāt taḥsīnīya.

al-Ġazālī, Iḥyāʾ ʿulūm ad-dīn, Kitāb Ādāb an-nikāḥ; Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6, S. 421.


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