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FAQ

Ist es dem Muslim erlaubt, seinen Penis operativ oder auf andere Weise vergrössern zu lassen?

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23.06.2025

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Die Frage nach der Zulässigkeit einer Penisvergrößerung berührt gleich mehrere Ebenen islamischer Ethik: die Bedeutung körperlicher Würde (ḥurma), das Verhältnis von Schönheit und Natürlichkeit, die Grenze zwischen Behandlung (ʿilāǧ) und Verschönerung (taḥsīn), sowie die Bedeutung ehelicher Harmonie. Wie bei allen kosmetisch-medizinischen Eingriffen gilt auch hier: Es existiert kein pauschales Verbot. Vielmehr hängt die Bewertung vom konkreten Anlass, der Absicht (niyya), den Mitteln und der Wirkung ab.

Grundsätzlich erlaubt das islamische Recht körperliche Eingriffe zur Behebung eines Mangels (ʿayb) – selbst dann, wenn dieser vorrangig seelisch empfunden wird. Ibn Qudāma (gest. 620/1223) berichtet etwa von einem Gefährten, dem nach einer Amputation eine goldene Nasenprothese gestattet wurde, um einen entstellenden Makel zu korrigieren. Daraus leiten die Gelehrten ab: „Was zur Wiederherstellung des natürlichen Zustands dient, ist zulässig.“¹

Die Vergrößerung des männlichen Glieds wird in der klassischen Fiqh-Literatur nicht explizit behandelt – nicht, weil sie verboten wäre, sondern weil entsprechende Verfahren medizinisch bis in die Neuzeit nicht existent waren. In Analogie zu anderen Eingriffen im Intimbereich – etwa der Labioplastik oder vaginalen Straffung – kann jedoch eine differenzierte Einordnung erfolgen.

  1. Zulässig bei objektivem Defizit:
    Leidet ein Mann an einem deutlich unterentwickelten Glied (z. B. Mikropenis), das medizinisch diagnostiziert und als funktional oder psychosexuell belastend eingestuft wird, ist ein korrigierender Eingriff islamrechtlich erlaubt. Auch bei Fehlbildungen, postoperativen Veränderungen oder erworbenen Einschränkungen durch Trauma oder Krankheit ist der Eingriff Bestandteil eines therapeutischen Handelns (ʿilāǧ), das nicht unter ein Verbot fällt².
  2. Zulässig bei starkem psychischen Leidensdruck:
    Ein seelisch belastendes Körperempfinden – etwa ausgeprägte Komplexe, die zu ehelicher Hemmung oder partnerschaftlichen Spannungen führen – kann unter bestimmten Bedingungen als ḥāǧa gewertet werden. Zahlreiche Gelehrte erkennen heute die psychosexuelle Dimension körperlicher Integrität an und erlauben maßvolle Eingriffe zur seelischen Stabilisierung, sofern kein gesundheitlicher Schaden entsteht³.
  3. Problematisch bei reinem Optimierungswunsch:
    Wird ein solcher Eingriff ohne Notwendigkeit oder spürbare seelische Belastung nur aus ästhetischer Unzufriedenheit durchgeführt – etwa zur Nachahmung idealisierter Körperbilder oder zur Steigerung sexueller Potenz ohne realen Mangel –, bewerten viele Gelehrte diesen Schritt kritisch. Es handelt sich dann um taḥsīn ġayr maḥmūd – eine nicht notwendige, sittlich fragwürdige Verschönerung, die der natürlichen fiṭra widersprechen kann, auch wenn sie nicht formal ḥarām ist⁴.

Ein pauschales Verbot lässt sich aus den islamischen Primärquellen jedoch nicht ableiten. Weder der oft zitierte Vers „…und sie werden gewiss die Schöpfung Allāhs verändern“ (Q 4:119) noch die ḥadīṯe über kosmetische Eingriffe (z. B. Tätowierung, Zähne feilen) treffen sachlich auf einen medizinisch motivierten Eingriff zur Wiederherstellung oder ehelichen Harmonie zu. Vielmehr gilt der Grundsatz:

„Der Maßstab des Urteils ist die Absicht, der Schaden und das Maß.“

Medizinische und normative Auflagen:
Wie bei allen Eingriffen am Intimbereich gilt:

  • Der Eingriff muss medizinisch vertretbar, risikoarm oder sehr gut prognostizierbar sein. Gerade bei der Penisvergrösserung sind aufgrund der wichtigen Blutgefässe einige Risiken mit einem Eingriff verbunden. Diese sind nicht zu unterschätzen. Es ist daher naheliegend, dass ein unnötiger Eingriff nicht bevorzugt werden sollte.

  • Die Maßnahme darf nur von qualifiziertem medizinischem Personal durchgeführt werden – mit Wahrung der ʿawra.

  • Es dürfen keine verbotenen Substanzen (z. B. nicht-ḥalāl Implantatmaterialien) verwendet werden.

  • Die Intention darf nicht Täuschung, Imponierverhalten oder übertriebene Luststeigerung sein, sondern muss in Selbstfürsorge und ehelicher Ausgewogenheit verankert sein.

Fazit:
Eine operative oder sonstige Vergrößerung des männlichen Glieds ist im Islam nicht pauschal verboten. Liegt ein medizinischer oder psychisch belastender Zustand vor, kann der Eingriff unter ʿilāǧ oder ḥāǧa zulässig sein. Ohne solchen Anlass, allein aus Eitelkeit oder reinem Streben nach Optimierung, wird es ethisch fraglich und rechtlich verpönt (makrūh). Die Entscheidung erfordert in jedem Fall eine reflektierte Abwägung unter medizinischer Beratung und ethischer Selbstehrlichkeit.

Endnoten:

  1. Ibn Qudāma, al-Mughnī, Bd. 1, S. 85.

  2. al-Mawsūʿa al-fiqhiyya, Bd. 12, Eintrag „ǧirāḥāt at-taǧmīl“; IIFA-Beschluss Nr. 173 (2007).

  3. al-ʿIzz b. ʿAbd as-Salām, Qawāʿid al-aḥkām, Bd. 1, S. 96; vgl. auch neuere medizin-ethische Gutachten der IIFA zu psychisch motivierten Korrekturen.

4. Ibn ʿĀbidīn, Radd al-Muḥtār, Bd. 6, S. 423; al-Ġazālī, Iḥyāʾ ʿulūm ad-dīn, Kitāb Ādāb an-nikāḥ.


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