Kommuniqué 10122010-0029

Bern, 10.12.2010

Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) zeigt sich erstaunt über die paternalistische Haltung der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) in der Sache des islamischen Hijabs. Wie die Kommission am 8. Dezember 2010 in einer Pressemitteilung verlauten liess, empfiehlt sie den Schulen «geschlechterspezifische Bekleidungen, die Ausdruck einer herabsetzenden, kontrollierenden Haltung gegenüber Frauen und ihrer Sexualität sind und ein Geschlechterverständnis zum Ausdruck bringen, das den Gleichstellungsanliegen des Staates fundamental zuwiderläuft», nicht zu tolerieren. Darunter fallen gemäss EKF namentlich der «Gesichtsschleier», das «Kopftuch» sowie «lange Röcke».

Die Haltung der EKF erscheint um so erstaunlicher, als sie sich klar zu den «elementaren Rechtspositionen des Staates» bekennt, die ihren eigenen Ausführungen nach «nicht nur das Recht auf Religionsfreiheit, sondern auch das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Schutz der physischen und psychischen Integrität, die Ehefreiheit oder das Recht auf Grundschulbildung» miteinschliesst.

Es besteht kein Zweifel, dass diese elementaren Rechtspositionen genau dann verletzt wären, wenn einem Individuum eine bestimmte Bekleidungsform ohne erhebliche Notwendigkeit aufgezwungen würde. Dies trifft sowohl in einer positiven wie aber auch in der von der EKF geforderten negativen Zwangssituation zu. Ein Zwang zur Entschleierung stellt in rechtlicher Hinsicht genauso eine Verletzung der genannten Grundrechte dar, wie dies im Falle eines Zwangs zur Verschleierung der Fall wäre.

Die EKF stützt ihre Empfehlung auf die durch gängige Stereotypen zementierte Annahme, wonach der islamische Hijab und neuerdings auch lange Röcke die Frau in ihrer sexuellen Freiheit in diskriminierender Weise einschränkten. Sie verfällt in dieser Hinsicht einem alt-feministischen Tunnelblick, der die kulturhistorischen und vor allem religiösen Eigenheiten verschiedenster Glaubensbekenntnisse völlig aus der Optik verliert.

EKF widerspricht auch der EKR

Weiter zeigt sich der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) erstaunt darüber, dass sich eidgenössische Kommissionen in ihren Empfehlungen gegenseitig widersprechen und damit der Rechtssicherheit im Lande in keinster Weise einen Gefallen erweisen.
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) vertrat am 25. August 2010 in ihrer Pressemitteilung die Ansicht, dass ein solches Hijab-Verbot «eine Sondermassnahme gegenüber einer einzigen Religion», die «das Rechtsgleichheitsgebot bezüglich der Religionsausübung verletzt» sowie «eine gegen die muslimische Minderheit gerichtete (primär parteipolitisch motivierte) Aktion» wäre.
Der Hijab falle in den «Bereich des religiösen Selbstverständnisses», das es in der Schweiz zu schützen gelte, solange es kein übergeordnetes Grundrecht verletze. Während die Kommission das Hijab-Verbot für Lehrerinnen als «vertretbar» beschrieb, lehnte sie ein solches für Schülerinnen und Arbeitnehmerinnen deutlich ab. «Dieses ist nicht nur ein Angriff auf ein für die betroffenen Frauen verbindliches religiöses Gebot, es verletzt auch das Prinzip der Gleichbehandlung, weil es nicht analog für andere Religionsgemeinschaften gilt.»

Hijab ist kein religiöses Symbol

Tatsächlich ist der islamische Hijab anders als ein Kreuz, Davidstern oder ein Halbmond kein religiöses Symbol. Der Hijab ist vielmehr integraler Bestandteil des islamischen Kultus. Alle sunnitischen- wie schiitischen Rechtsschulen erachten das Tragen eines «Kopftuches» für Frauen ab der Pubertät als religiöse Individualpflicht. Ob ein freier Mensch Glaubenspflichten, die in keinster Weise in Widerspruch zur Rechtsordnung stehen, nachkommt oder sie vernachlässigt, darf aufgrund der verfassungsmässig garantierten Religions- und Kultusfreiheit nicht durch staatliche oder privatwirtschaftliche Regulative vorweggenommen werden.

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